Old Speakers

BY

Missing Organs

Release

03.03.2017

Label

Umor-Rex

Na klar, Organmangel ist jetzt eher nicht so schön. Wenn Tristan Bath allerdings seinen leber-, nieren-, und milzfreien Klangkorpus ins Schwingen bringt, kommt wahre Freude auf. Beziehungsweise auch nicht. Denn wer seine Sensorik nicht sorgfältig auf sonische Übungen, die Schönheit unter Konfrontation mit drohendem Unheil und das Ungewisse im Abgründigen näher erforschen, geeicht hat, wird nach Ende der 55 Minuten von Old Speakers zwar keine medizinischen Leiden zu beklagen haben, sich aber vermutlich doch irgendwie in einem Gefühlsminus befinden.

Dass hier nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und auch gar nicht sein darf, wird spätestens dann klar, wenn Tristan Bath Old Speakers zu seinem Brexit-Album kürt. Das im Namen widerhallende Verlustverhältnis lässt sich über die Dialektik von Funktionseinheiten und Ganzem also auch auf harte soziale Tatbestände im Europa der Gegenwart ummünzen: wie viel Ausfall ist vertragbar, bis alles zusammenbricht? Diese fatalistisch angehauchte Frage wird dann musikalisch aber nicht ausschließlich in lichtabsorbierenden Doom überführt: Old Speakers ist eine Kippfigur, die von in gegensätzliche Richtungen strebenden Kräften lebt, ihre Dynamik also aus dem Spannungsverhältnis von Destruktion und Konstruktion zieht. Jedes Wummern und jede kakophonische Auswölbung findet am Ende durch einen leuchtenden Gegenpart immer einen Ausgleichskanal.

Ob diese Anlage in ihrer Symbolträchtigkeit intendiert ist oder nicht, bleibt der eigenen Auslegung überlassen, in jedem Fall aber ist offensichtlich, dass sich das Album dadurch eine wichtige Erkenntnis aus der Betrachtung der politischen Gemengelage weltweit entleiht: Pessimismus und Verdruss sind in diesen Zeiten keine finale Lösung; und so passt es, dass im Eröffnungsstück “Gauche” zwar eifrig Ton durch den Häcksler gedreht, der Konter in Form des elegischen Interludes “Doorway” aber direkt bereitgehalten wird. Die Kernstücke des Albums – “Bridges” und “Tiny Rider” – haben dieses Zwieverhältnis dann internalisiert und treiben das Album zu seinen besten Momenten: durchaus nicht unoptimistisch im Grundton, aber doch Widerhaken setzend und das dunkle Dräuen am Horizont stets in Blick sowie Klangspektrum eingefangen.