Wäre die Musik von Xiu Xiu ein Tier, dann vermutlich ein Schwan: Wenngleich sich Anmut und Grazie immer wieder in den Vordergrund spielen und in diesen Momenten alles in Schönheit strahlt, sollte man sie nicht zu nah an sich heranlassen, denn im Kern sind es Aggression und Bissigkeit, die sie antreiben; und selbst wenn sich die im Rahmen der herzallerliebsten Neuvertonung des Twin-Peaks-Soundtracks wiederbeatmete Zugänglichkeit Xiu Xius auch in ihr aktuelles, im Februar erschienenes Album Forget hineinschummelt, bleibt Hauptarchitekt Jamie Stewart ein Meister der koketten Inszenierung menschlicher Abgründe, der es wie kaum ein anderer in der zeitgenössischen Popwelt versteht, nervenzerrende Bilder heraufzubeschwören. Hört man sich in ein Xiu-Xiu-Album ein, muss man damit rechnen, dass sich Beklemmung platzhirschigst niederlässt und Hut + Wanderstock auch nicht gleich wieder zu nehmen gedenkt, selbst wenn man ganz ganz lieb darum bittet.

Forget rankt sich nun um das Thema des Vergessens und schlägt damit einen der düstersten Töne auf der Klaviatur gesellschaftlicher Ängste an, denn er führt unmittelbar zu zwei der existenziellsten Formen anthropologischer Furcht: Einsamkeit und Isolation. Ein lyrischer Konfrontationskurs, fiese Nierentreffer und im freien Fall befindliche Protagonisten bleiben also auch weiterhin Konstanten im Xiu-Xiu-Kosmos; und dennoch bündelt das Album ein Maß an Bekömmlichkeit und Popappeal wie seit dem inzwischen 10 Jahre alten The Air Force nicht mehr: „Wondering“ ist wechselkursbereinigt fast schon Arenarock mit leichtem Schielauge in Richtung Dancefloor, fiept und knarzt dabei aber natürlich trotzdem aus allen Poren. Auch „Queen of the Losers“ wirft sich elegant in Pose und schwingt sich großgestisch durch seinen Chorus, wird aber von einem kreischenden Synthie eingeleitet und läuft über ein verzerrtes Hintergrundprogramm, das dringend mal jemand durch den Virenscanner jagen müsste.

Fragiler Schönklang und Verstörung tarieren sich auf Forget also wieder in einem Verhältnis aus, das man vor allem von den brillianten Vorgängern Fabulous Muscles und besagtem The Air Force kennt; und auch wenn in den letzten zehn Jahren Dringlichkeit und Fokus auf Albumlänge dann und wann etwas verloren gingen, waren und sind die Live-Qualitäten von Xiu Xiu unbestritten – ob in konventioneller Besetzung oder nur zu zweit, eines ist gewiss: Der Intensitätsfaktor eines Xiu-Xiu-Auftritts ist auch nach 15 Jahren Bandroutine um keinen Grad abgeschmolzen, zwischen zärtlich wispernd und markerschütterndem Schrei, sanfter Xylophon-Einlage und Scheiße-hätte-ich-besser-mal-Ohrstöpsel-eingepackt-Gitarre liegen mithin nur wenige Sekunden. Wenn es dich also plausiblerweise danach dürstet, am 28.11. die Groovestation aufzusuchen, so sei dir unser Verständnis zugesichert und die Gelegenheit, freikartenmäßig nicht ganz unamtlich abzustauben, kurz erwähnt: für 2 Mal 2 Mal kostenbereinigten Zugang musst du gerade mal die vier in diesem Text erwähnten Xiu-Xiu-Alben in den Betreff schreiben + deinen vollen Namen an gluecksfee@campusradiodresden.de schicken. Buona Fortuna!