Die letzten Jahre mangelte es an neuen weiblichen musikalischen Projekten, welche die Rockszene schütteln würden. Dafür gab es 2013 gleich drei! Deap Vally, PINS und Savages sind Rockbands, deren Mitglieder ausschließlich Frauen sind. Alle drei gehen damit jedoch ganz unterschiedlich um.

Deap Vally

Foto: Dumas

Deap Vally kommen, im Gegensatz zu den zwei übrigen britischen Bands, aus dem warmen Westen der USA, Los Angeles. Abgesehen von der Herkunftsstadt haben die beiden aber eher wenig mit Engeln gemeinsam. Zwei unbestritten attraktive Frauen, die genau das zu ihrer Waffe machen. Freizügige Outfits, provokatives Verhalten und Rockmusik, die aus den Tiefen der Hölle kommt. Lindsey und Julie machen Rock abseits der bekannten Riot-Grrrl-Tradition und trauen sich in die eher männlich besetzen Musikgebiete. Ihr Debütalbum „Sistrionix“ zelebriert den amerikanischen Bluesrock und Garage; es ist kratzig und fuzzy – genauso wie es sein soll­te. In „Ain’t Fair“ wird die Blues-Erbe deutlich:

Well, boy, some of us lose
That’s why we sing the blues
Hell yeah, some of us win
It ain’t fair unless you win.

Deap Vally: Ain’t Fair

Angeknüpft an den Klassiker des Genres, B.B. King, wird Blues zu einem Ort, in welchen man vor dem echten Leben flüchten kann. Außerdem verleihen Deap Vally ihrer Musik einen besonderen Hippie-Geist, der freie Liebe, Emanzipation und Weltfrieden predigt. Sie versuchen gerade mit der überspitzt präsentierten Sexualität die Unabhängigkeit der Frauen zu beweisen und manifestieren diese Souveränität in ihren Texten: 

You say marry a rich man
Find a rich one if you can
Daddy, don’t you understand?
I’m gonna make my own money, gonna buy my own land.

Deap Vally: Gonna Make My Own Money
PINS

Foto: Sheffield

Die Weitergabe der erwähnten Riot-Grrrl-Bewegung wurde 2013 in Großbritannien deutlich. Die Post-Punk-Szene Englands ist um zwei wichtige Platten reicher und schafft es in dem bereits sehr eng gefassten Genre-Rahmen Vielfalt auf hohem Niveau zu liefern. Im absoluten Gegensatz zur Feminität von Deap Vally steht das Image der PINS. Die vier Engländerinnen stellen sich als eine starke Gang mit Baseballschlägern und blau geschlagenen Augen dar. Sie geben in Interviews offen zu, dass die Band explizit eine Frauenband sein sollte und nie ein Raum für Männer vorgesehen war. Nicht nur deren Charakterbild, sondern auch die Musik von PINS ist maskulin, aggressiv und rau. Selbst geben die Manchesterinnen Joy Division und Beach House als Inspirationsquellen an und lassen sich in der Post-Punk-Sparte mit deutlichen Dream-Pop- und Grunge-Einflüssen verorten. Besonders an der Produktion des Album „Girls Like Us“ ist der deutliche Lo-Fi-Charakter sowie die imperfekte Instrumentenbeherrschung, auf die die Band ausdrücklich stolz ist.

Savages

Foto: Vrederick

Nah an der Perfektion ist dafür das stark konzeptualisierte Projekt vierer Londoner-Frauen, Savages mit ihrem Debüt „Silence Yourself“. Obwohl die Musik den Eindruck macht, sehr detailliert ausgearbeitet zu sein, als ob die Band ewig an dieser gefeilt hätte, wirkt sie ungezwungen und natürlich. Grade im direkten Vergleich zu PINS gewinnt der wiederbelebte Post-Punk einen qualitativen Mehrwert und verliert dabei nicht seinen authentischen Retrocharakter. Wenngleich das musikalische Profil der Savages sehr stark ist, endet der Fokus nicht auf dem Instrumentellen. Genauso wichtig sind die durchgehend ins Konzept passenden Texte, die von Sexualität, Pornografie oder Entfremdung handeln. Dargestellt wird ein Frauenbild, das von traditionellen Geschlechterrollen losgelöst ist. Die Frau nimmt genau das, was sie haben will und geht mit ihrer Sexualität entschlossen um:

She will enter the room
She will enter the bed
She will talk like a friend
She will kiss like a man
She will fuck other men
She will come back again
Get hooked on loving hard
Forcing the slut out!

Savages: She Will

Trotz der, teilweise sehr stark gesellschaftskritischen Texte, schaffen Savages ihr Image weder in die sexuell aufgeladene, noch rebellisch maskuline Richtung zu lenken und verleihen ihm somit einen überraschend neutralen Charakter. Somit tun sie den Frauen in der Musikbranche einen extrem großen Gefallen: Während man sie hört, gar, während man sie sieht, vergisst man den Aspekt der Gender und konzentriert sich auf die hervorragenden musikalischen Leistungen. Die einzige Befürchtung, die das gelungene Projekt etwas kritischer betrachten lässt, sind die Fortsetzungsmöglichkeiten so eines Konzeptalbums, welches dann doch noch stark von der Aufmachung sowie des Debütbonus profitiert.