Kate Tempest musste sich über Jahre in Geduld üben. Nun, im Jahr 2014, kann die Welt endlich ihr Debütalbum hören. Der Preis scheint jedoch fair zu sein, wenn sie ihre erste Platte mit Dan Carey produzieren wollte. Der Londoner hat unter anderem an den Erfolgen von Bat For Lashes oder der M.I.A mitgewirkt.
Neben einem Top-Produzenten hatte Kate Tempest auch das Kult-Label „Big Dada“ an ihrer Seite. In der Londoner Underground-Hip-Hop-Szene bietet „Big Dada“ eine Plattform für talentierte Rapper. Doch nicht nur der Underground, sondern MCs aus der ganzen Welt interessieren sich für das Label. Die Konkurrenz ist also groß. Am Ende ist es darum ein großer Glücksgriff, dass Kate Tempest und „Big Dada“ sich trotzdem gefunden haben.
Doch all dies wäre nicht passiert, wenn Kate Tempest ihre Jugend nicht in Brockley, in Südlondon, verbracht hätte. Als „Shitty part of town“ bezeichnet die Rapperin ihren Stadtteil. Eine Jugend inklusive Schulabbruch und nächtelangen Rap-Battles in lokalen Bars – das prägte Kate Tempest.
„Everybody Down“ ist eine Geschichte in zwölf Teilen. Es sind zwölf Songs, die einfache Menschen von nebenan beschreiben. Kate Tempest hat das Talent, spannende Charaktere zu erkennen und zu beschreiben. In ihren Songs spricht sie wichtige gesellschaftliche und soziale Probleme an. Entfremdung, Untreue, Drogenhandel, Gewalt – die Liste ist lang. Kate Tempest verleiht den Figuren menschliche Gesichter, die nicht nur dem schwarz-weißem Clichée-Denken entspringen.
Damit hat Kate Tempest alles, was eine Rapperin braucht: gutes Storytelling, gutes Wording und einen wiedererkennbaren Flow. Ihr Tonfall, wechselnder Rhythmus und ihr britischer Akzent bilden zusammen eine unverwechselbare Marke. Die Britin zieht in ihren sprachlichen Bann. Man bleibt an ihren Lippen hängen und erwischt sich dabei, den ein oder anderen Song nochmal zurückzuspulen, um jedes einzelne Wort zu verstehen. Kate Tempest spielt oft mit der Sprache und ihrer Phonetik. Ein perfektes Beispiel dafür ist der Song „The Truth“. Die Rapperin verschlüsselt den Textinhalt durch homophone Worte und fordert dadurch noch mehr zum genauen Zuhören heraus.
Two People. (…) Two for One was perfect. One said to Two: I’m awful. Trust me. You’re so pure that you should not touch me. Two said: I don’t care. I love you. I can’t wait to know you. One said: I’m scared I will show you the bad side that I don’t like. Two said: Be yourself and I be myself. We don’t need no one else with their opinions. The past is gone. Let’s move one, make present. (…) So if there’s a truth that last forever, can two truths ever exist together? If One love Two but Two don’t love, whose truth is true and is truth enough?
Kate Tempest experimentiert und testet die Aufmerksamkeit ihres Publikums. Es lässt sich vielleicht nicht gleich erkennen, dass zwei Songs dasselbe Intro haben oder dass der Refrain eines Liedes plötzlich in einem anderen auftaucht.
„Everybody Down” hat eine ansteigende Dramaturgie. Nach den ersten relativ straighten und melodischen Songs wie „The Truth“ oder „The Beigness“ erreicht die Platte im letzten Viertel ihren Höhepunkt. Düstere elektronische Songs wie „To the Victor The Spoils“ oder „A Hammer“ verursachen Gänsehaut und leiten das Finale ein. Der letzte Song „Happy End“ ist weit von einem Hollywood-Ende entfernt. Vielmehr ist es eine siebenminütige UK-Garage-Hymne, die das Genie der Rapperin bestätigt. „Everybody Down“ ist ein kompliziertes und anspruchsvolles Album, von dem man sich monatelange begleiten lassen kann. Kate Tempest drückt selbst am besten aus, warum man ihre Musik hören sollte:
We can be grown men, listen to music, real music, played with heart by real bands not just posers looking like they’re giving blow jobs to mic stands.