Bereits die ersten drei Alben von Son Lux betitelten Musikkritiker als Avantgarde-Pop, denn sein Stil war schon immer weit von eingängigem Radiopop entfernt. Nichtsdestotrotz hebt Ryan Lott aka Son Lux mit Bones seine Avantgarde auf ein ganz neues Level. Um den neuen Sound prachtvoller zu gestalten, ließ er sich diesmal schon während der Studioaufnahmen von seiner bisherigen Tourband mit Gitarre und Schlagzeug begleiten.
Mit einer fast brüchigen Stimme leitet Son Lux mit “Breathe In” in sein neues Werk ein. Das Intro wird von Streichern untermalt und beinhaltet noch die Leichtigkeit des Sounds, die man von Son Lux kannte. Es ist eine Aufforderung noch einmal tief einzuatmen – Bones wird mit angehaltenem Atem gehört.
Close your eyes
Swallow the sun
You have only just begun
Thematisch wendet sich Son Lux dem Wandel, der Veränderung, der Suche nach Freiheit und dem Flüchten zu. Die Knochen, die dem Album seinen Namen geben, ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Songs. Menschenknochen sind in der westlichen Kultur einerseits Todessymbole, andererseits aber Bilder des Glaubens an eine künftige Auferstehung. Ob eben der Tod die Befreiung bringen wird, spricht Son Lux in seinen Texten nicht aus.
This moment: change is everything
The course of blood within your veins
A stranger’s form, your skeleton
See the bones glow as they break free
Das neue Album ist überladen mit Instrumenten und Stilen. Bereits auf dem Vorgänger-Album Lanterns übte sich Son Lux in elektronischen Klängen; auf Bones verbindet er sie verstärkt mit den organischen Sounds, die auf seinen ersten Veröffentlichungen so maßgebend waren. Hier werden Flöten und Streicher auf dichte Keyboard-Teppiche gelegt – Leichtigkeit trifft auf Pathos.
Son Lux experimentiert mehr als je zuvor: Er traut sich Ausflüge in Dubstep, Industrial oder R’n’B und verknüpft sie mit Choralgesängen. Bones ist mutwillig dekonstruiert. Es fällt auseinander und seine Teile befinden sich eher Seite an Seite, als dass sie ein kohärentes Ganzes bilden. So stellt das Album eine Herausforderung dar. Man muss sich auf Bones unvoreingenommen einlassen, ohne es in Schubladen stecken zu wollen.
Zugänglich machen Bones begreifliche Melodien, die an der Grenze zur “Kunst um der Kunst willen” dem Ganzen eine Wendung geben und den Weg ins Ohr finden. Dennoch liefert Son Lux ein verkopftes und etwas verschrobenes Werk, das nicht jeden Geschmack treffen wird und anstrengend sein kann. Es lässt aber viel Interpretationsraum und stellt den Zuhörer vor wichtige Fragen. Vor allem verbirgt Bones kleine Momente, die unter dem pathetischen Mantel versteckt sind und auch beim mehrmaligen Zuhören entdeckt werden können: eine Cajón oder eine groovende Gitarre im Hintergrund, die in erster Linie unspektakulär scheinen, welche jedoch die Grundlage des opulenten Sounds bilden und die Songs tragen.
Mit “Breath Out” schließt Son Lux sein Werk ab: Spannung raus, tief durchatmen, das Album nachwirken lassen!