Jede neue Generation, jedes neue Menschenwesen muss, indem ihm bewusst wird, dass es zwischen eine unendliche Vergangenheit und eine unendliche Zukunft hingestellt ist, den Pfad des Denkens neu entdecken und mühsam bahnen.

Hannah Arendt

Hannah Arendt wurde 1906 in Hannover als Tochter eines Ingenieurs geboren, wuchs jedoch in Königsberg auf. Religion spielte zunächst keine Rolle, bis sie von gleichaltrigen, wie sie es einmal nannte, über ihr Jüdischsein „aufgeklärt“ wurde. Denn natürlich gab es nicht erst seit der Machtübernahme von Adolf Hitler Antisemitismus in Deutschland. Hannah Arendt las auch schon in jungen Jahren eine Menge Bücher – Kant, Kierkegaard, Jaspers. Später studiert sie an der Uni Marburg bei Martin Heidegger Philosophie. Mit dem Professor hatte sie eine Liebesbeziehung, wie erst später bekannt wurde. Sie studierte auch in Freiburg und in Heidelberg, wo sie 1928 ihre Dissertation mit dem Titel „Der Liebesbegriff bei Augustin“ bei Karl Jaspers schrieb. Beide verband in ihrem späteren Leben eine tiefe Freundschaft.

Die Methode ist als sachliches Verstehen zugleich gewaltsam […] Weder historische noch philologische Interessen sind maßgebend. Impuls gibt letztlich wohl das Nichtgesagte: durch philosophisches Arbeiten am Gedanken möchte sich die Verfasserin ihre Freiheit von christlichen Möglichkeiten rechtfertigen, die sie zugleich anziehen. Sie sucht nicht die Systematik der Lehrstücke in einem Ganzen zu erreichen, sondern gerade ihre Unstimmigkeiten, um darin den Blick auf existentielle Ursprünge des Gedankens zu gewinnen.

Karl Jaspers

Schon hier zeigt sich, das für Hannah Arendt so wichtige „Verstehen wollen“. Nach der Machterlangung der Nationalsozialisten leistete sie Widerstand. Eine zionistische Organisation wollte eine Sammlung antisemitischer Zitate anlegen, man trat an Hannah Arendt heran. Sie selbst sagt von sich, in einem Interview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964, dass sie selbst keine Zionistin gewesen sei, doch es war ihr eine Genugtuung zu handeln, etwas gegen dieses Unmenschliche in der Welt zu tun. Auch persönlich war ihr diese Tätigkeit wichtig, im selben Interview sagt sie:

Ich dachte, wenigstens habe ich etwas gemacht

Hannah Arendt

Sie wurde von der Gestapo geschnappt, verhört, kam schließlich doch frei. Sie floh aus Berlin nach Paris, später dann nach New York in die USA. In diesem Kontext der Flucht muss sie auch verstanden werden. Hannah Arendt hat allerdings auch eine ganz eigene, persönliche Sicht auf das, was es heißt ein “Flüchtling” zu sein. Ihre Publikationen lassen auch einen Einblick in die Gefühlswelt der zu, die seit Monaten nach Deutschland und Europa drängen. Für Arendt war die Bezeichnung “Flüchtling” äußerst unpassend, weil mit diesem Begriff Personen in Verbindung stehen, welche in der Vergangenheit aufgrund ihrer Taten und Ansichten Zuflucht suchen mussten. Sie sagte von sich selbst, sie sei ein Neuankömmling oder eine Einwanderin. Einen Neuanfang in der Fremde wagen, grundsätzlich Natalität dieser Gedanken, ist für das Denken von Hannah Arendt essentiell.

Dies abstrakte Menschenwesen das keinen Beruf, keine Staatszugehörigkeit, keine Meinung und keine Leistung hat, durch die es sich identifizieren könnte, ist gleichsam das genaue Gegenbild des Staatsbürgers dessen Ungleichheit und Differenziertheit dauernd innerhalb der politischen Sphäre von dem großen Gleichmacher aller Unterschiede, der Staatsbürgerschaft selbst eingeebnet wurden denn wie wohl der Rechtlose nichts ist als ein Mensch, ist er doch dies gerade nicht durch die gegenseitige sich garantieren der Gleichheit der Rechte, sondern in seiner absolut einzigartigen unveränderlichen und stummen Individualität der Weg in die gemeinsame und darum verständliche Welt dadurch abgeschnitten ist, dass man in aller Mittel beraubt hat, seiner Individualität in das Gemeinsame zu übersetzen und in ihm auszudrücken.

Hannah Arendt

Hannah Arendt wurde einer größeren Leserschaft mit ihrem Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, auf deutsch 1955 erschienen, bekannt. Später provozierte sie mit ihrer Berichterstattung zum Eichmann-Prozess in Jerusalem den Protest von deutscher als auch jüdischer Seite. Sie prägte den Begriff der „Banalität des Bösen“ und meinte damit die unzähligen Schreibtischtäter, die zum Funktionieren des Massenmordes an den Juden unerlässlich waren. Hannah Arendt etablierte sich auf dem Feld der politischen Theorie und der Philosophie, ein Forschungsfeld in dem vor allem Männer tätig waren.

Ich gehöre nicht in den Kreis der Philosophen. Mein Beruf – wenn man überhaupt davon sprechen kann – ist politische Theorie. Ich fühle mich keineswegs als Philosophin.

Hannah Arendt

Hannah Arendt die Philosophin und politische Theoretikerin starb am 4. Detzember 1975 an einem Herzinfarkt, sie wurde 69 Jahre alt. Wer war Hannah Arendt als Person? Aufschluss darüber geben Zitate von Elisabeth Young-Bruehl, ihrer Biografin, sowie die Gedichte von Arendt.

Das Licht, das die Werke eines Menschen ausstrahlen, tritt direkt in die Welt ein und leuchtet auch nach seinem Tod weiter. Ob es hell oder dunkel, flackernd oder beständig ist, das hängt von der Welt und ihrer Entwicklung ab. Die Nachwelt wird es beurteilen. Doch das Licht, das vom Leben eines Menschen ausgeht – gesprochene Worte, Gesten, Freundschaften – überlebt nur in Erinnerungen. Soll es in die Welt eintreten, dann muß es eine neue Form annehmen. Aus vielen Erinnerungen und Geschichten muß eine Geschichte hervorgehen.“

Elisabeth Young-Bruehl (Biografin)

Artikel erstellt unter Mitarbeit von: Marius Holfert