+++ vorab Info: Alle Death Grips Alben sind in den kursiven Links zu finden +++
Die Death Grips verfolgen ihre Vision, ohne Rücksicht auf den Rest der Welt. Es ist Musik – vielleicht auch Schauspiel oder Performance Art – an der das Publikum teilhaben darf. Doch hat letztendlich keiner einen Einfluss auf die Death Grips. Sie setzten ihre Vision kompromisslos um. Mit unglaublicher Kraft und ohne jegliche Rücksicht hämmern sie ihre Musik in Mark und Bein des Zuhörers. Was dieser damit anfangen kann ist sekundär. Musik, die der Welt des BDSM wohl näher ist als der der Popmusik. Doch traut man sich in diese Welt einzutauchen erwartet einen eine wilde Fahrt in tiefe Abgründe.
Doch ist nicht nur die Musik der Death Grips eine wilde Fahrt, sondern auch ihre Bandgeschichte und Diskographie. 2010 wurden die Death Grips von MC Ride, bürgerlich Stefan Burnett, und Zach Hill gegründet. MC Ride, früher unter dem Alias MxIPIx bekannt, hat mit seinem Bruder im experimentellen Hip Hop Projekt Fyre gerappt. Zach Hill hat vor seiner Zeit bei den Death Grips als Drummer für die Math Rock Band Hella gespielt. MC Ride und Zach Hill haben durch Zufall zueinander gefunden. Sie sind Nachbarn. Später kam Andy Morin, auch als Faltlander bekannt, zum Gründungsduo hinzu. Er ist ein guter Freund von Zach Hill und hat als Audio Engineer andere Musikprojekte Hills betreut. Anschließend hat das Trio aus Sacramento, Kaliforniern 2011 ihr erstes Tape mit dem Titel Exmilitary aufgenommen und kostenlos veröffentlicht. Danach kam noch die recht unbekannte EP Death Grips heraus.
Anschließend folge im Jahr 2012 das erste Album The Money Store, für welches die Death Grips bei Epic Records unter Vertrag genommen wurden. Insgesamt ist das Album bei Fans und Kritikern sehr gut aufgenommen worden, trotz seiner großen Unterschiede zum Vorgänger. The Money Store ist ernster als die ersten beiden Releases. Zudem ist die Produktionsqualität um einiges besser als bei den Vorgängern. Epic Records kündigte im Zusammenhang mit dem Albumrelease auch eine internationale Tour an. Kurze Zeit später meldeten sich die Death Grips zu Wort und haben die Tour ohne Rücksprache mit Epic gecancelt um an ihrem nächsten Album No Love Deep Web zu arbeiten. Trotz dieser, bei Fans und dem Management gleichermaßen “unbeliebten” Entscheidung, widmeten sich die Death Grips dem neuen Album.
The thing is, when it comes to art…with all due respect to everybody, nothing comes before what I want to do creatively.
Die kommenden vier Monate haben sich die Death Grips aus der Öffentlichkeit herausgenommen und sich in MC Rides und Zach Hills Wohnungen eingeschlossen um No Love Deep Web in kompletter Isolation aufzunehmen. Nach vier Monaten sind sie wieder zum Label zurückgekehrt um das neue Album zu veröffentlichen. Jedoch war Epic Records aus wirtschaftlichen Gründen gegen ein so zügiges zweites Release. Die Death Grips pochten jedoch auf ein Release und harrten im Chateau Marmont aus, um mit Epic zu verhandeln. Letztendlich hat die Band No Love Deep Web aus ihrem Hotelzimmer geleakt und das Album über diverse Filesharing Portale kostenlos zum Download anzubieten. Das alles nur, um das im Studio entwickelte Material möglichst schnell und direkt veröffentlichen zu können und nicht auf ein Label warten zu müssen. Der Konsequenzen bewusst haben die Death Grips auf Geld und Labelsicherheit verzichtet. Mit No Love Deep Web haben die Death Grips musikalisch einen noch dunkleren und reduzierteren Ton eingeschlagen als bei den vorangegangenen Alben.
Parallel dazu hat da Trio im Internet bereits Kultstatus erreicht. Auf verschiedenen Portalen – von 4chan über andere Foren und Boards bis Reddit – haben Fans über die Aktionen des Trios gerätselt. Es entstanden unzählige, mehr oder weniger ernsthaft gemeinte,
Verschwörungstheorien um die Band. Die Fanbase hat versucht jeden Schnipsel Wissen aus dem Internet zusammenzutragen um das Enigma Death Grips lösen zu können – teils vergeblich. Seien es die trostlosen dunklen und sehr kryptischen Texte von MC Ride oder die oft nicht rational wirkenden Entscheidungen der Death Grips.
Nach dem Leak und dem ebenfalls komplett veröffentlichten E-Mail Verkehr zwischen Death Grips und Epic Records hat sich das Label von der Band getrennt. Ohne Geld und festes Dach über dem Kopf folgte eine ausführliche US Tour, nach der sich das Trio wieder daran begab ein neues Album aufzunehmen. 2013 veröffentlichten die Death Grips dann Government Plates, welches sie ebenfalls kostenlos auf ihrer Website anboten. Das Album hat wieder einmal einen neuen Ton angeschlagen und bewegt sich in Richtung The Money Store zurück. Der zentrale Unterschied ist jedoch, dass MC Ride auf seine Essenz kondensiert wird.
Zunächst kündigt die Band ein neues Album für 2014 an, löst sich dann aber spontan auf und sagt alle geplanten Konzerte ab.
We are now at our best and so Death Grips is over. We have officially stopped. All currently scheduled live dates are canceled. Our upcoming double album The Powers That B will still be delivered worldwide later this year via Harvest/Third Worlds Records.
Das Internet fängt Feuer und explodiert – zumindest in Death Grips spezifischen Threads. Niemand weiß, was andere Gründe für die Auflösung sein könnten oder ob die Band nur mit den Fans spielt. Eine neue Welle von Verschwörungstheorien überschwemmt das Netz. Doch bevor das Internet zu einem Konsens kommt, veröffentlichen die Death Grips im Herbst des gleichen Jahres spontan Niggas on The Moon. In der Community herrscht absolutes Chaos, die Band schweigt und das Jahr 2015 naht. Vier Tage nach Neujahr erscheint im Netz ein neues Death Grips Release: Fashion Week. Ein instrumentales Album mit 14 Titeln. Die letzten Buchstaben der Tracknamen buchstabieren JENNYDEATHWHEN. Fans ahnen, dass ein neues Release kommen könnte und die Band nicht aufgelöst ist. Es wird spekuliert ob das Album zu einer der kommenden Fashion Weeks veröffentlicht werden könnte. Indes taucht auf Twitter @bbpoltergiest[53] auf, ein mysteriöser Account, der Screenshots aus unveröffentlichten Musikvideos und gemiensame Urlaubsfotos Bandmitglieder postet. Ebenfalls kündigt er an, dass die Death Grips sich nie aufgelöst haben, The Powers That B doch erscheinen soll und es eine US Tour geben wird. Kurz darauf verschwand @bbpoltergiest[53] wieder aus dem Netz. Am 31.03.2015 erscheint, wie vom mysteriösen Account angekündigt, The Powers That B. Fans spekulieren, ob der Account von den Death Grips selbst oder von einem Insider geführt wurde.
The Powers That B ist ein Doppelalbum und setzt sich aus Niggas on the Moon und Jenny Death zusammen. Das Album zeichnet sich durch seinen großen internen Wiederspruch aus. Niggas on the Moon ist sehr synthetisch und komplex, wohingegen Jenny Death brachial und direkt wirkt – einem Moshpit aus den ewig brennenden Höllenfeuern ähnlich. Der letzte Titel auf Jenny Death / The Powers That B regte ebenfalls zu einer großen Diskussion im Netz an. Der besagte letzte Titel “Death Grips 2.0” ließ die Community mit der Frage zurück, ob es einen Death Grips reboot geben könnte. Neue Mitglieder, ein neuer musikalischer Stil oder die Aufarbeitung alter Alben wurden rege diskutiert. Der Track wurde auf verschiedenste weise auf Bilder oder Texte im Spektrogramm des Tracks, wie beispielsweise bei Aphex Twin, oder versteckte Botschaften im Hintergrundrauschen analysiert.
Das nächste musikalische Lebenszeichen der Death Grips führt auch zum aktuellen Album Bottomless Pit und dem zweiten Track des Albums Hot Head. Dieser Track erschien gemeinsam mit der Ankündigung für Bottomless Pit. Mitte März wurden die Lyrics auf der Website der Band hochgeladen, jedoch ohne jegliche Struktur.
air raid I slang the math raider nation black cab psychic radio also known as only channel in our mobile lab I got that priceless touch won’t cost you a fucking thing biter appear instantly got pigs to feed you see my pimp she’s pissed at me aye doe bite that aye doe aye doe aye doe bite that acquire this link it’s a ringer cop my steeze make yours much fresher or whatever flock of pigeons come I got crumbs biters bob and slum
Kurz vor dem Albumrelease wurde jedoch das ganze Album geleakt. Diesmal nicht von den Death Grips, zumindest nicht offensichtlich oder beabsichtigt. Über eine unbekannte Sicherheitslücke im Soundcloud Backend konnte über einen seperaten Zugang auf das Album zugegriffen werden. Jedoch stellt sich die Frage, warum das Trio das Album schon einige Zeit vor dem eigentlichen Release auf die Plattform geladen hat. Haben sie gehofft, dass Fans sowohl das Album, als auch einen Weg es zu leaken, finden? Vielleicht wird sich diese Frage irgendwann klären. Jedoch wahrscheinlich ohne Kommentar der Band.
Mit Bottomless Pit haben die Death Grips ein für ihre Verhältnisse recht zugängliches Album geschaffen, das online Diskussionen darüber entflammen lassen wird mit welchem Album ein Death Grips Einstieg am Besten gelingen könnte. Als Alternative steht The Money Store zur Auswahl. Beide Alben sind direkter und weniger Komplex als No Love Deep Web oder The Powers That B. Der große Unterschied zwischen den Alben Bottomless Pit und The Money Store ist jedoch die Produktionsgüte des neuen Albums. Die Death Grips haben all ihre Tricks und ihr Wissen über Audioproduktion in das Album einfließen lassen. Es ist trotz seiner “Schlag ins Gesicht” Mentalität unglaublich präzise und genau Abgemischt. Fast könnte man meinen, Bottomless Pit sei ein Versuch ein altes Album mit ihrem gesammelten Wissen neu aufzusetzen. Bewusst lassen die Death Grips Songs wie “Eh” und “Trash” zugänglich um, für sie ungewöhnlich, recht deutliche Nachrichten an den Hörer zu senden. Der Rest der Platte ist dann jedoch wieder schwerer zugänglich. “Hot Head” und “Spikes” lassen erahnen um was es geht, verlangen jedoch eine intensive Beschäftigung, um von dieser Vorahnung zu einem Verständnis zu gelangen. “80808” erinnert kurz an einen alten Track von MC Ride aus seiner Zeit als Mxlplx. Generell ist das Album wie auch seine Vorgänger mit Referenzen und Samples von vielen verschiedenen Musikern und Künstlern versehen. Die Texte zeichnen ein Bild, das sich in den Rest der Texte aller Death Grips Tracks eingliedert. Die Frage, ob MC Ride nur eine Figur verkörpert, die Stefan Burnett spielt, wie die vielen Alter Ego´s von Tyler The Creator oder ob wir einen tiefen Einblick in eine verstörte Psyche bekommen ist unklar.
Vielleicht im Endeffekt sogar unwichtig. Die Death Grips verkörpern mit ihrer Musik eine Vision, die auch nur von Ihnen in dieser Konstellation umgesetzt werden kann. Sie haben in den sechs Jahren ein umfassendes und und vielfältiges Werk geschaffen, das bis heute mit jeder neuen Platte Rückschlüsse auf frühere Werke erlaubt und umgekehrt. Sie wehren sich gegen alles, was nicht in ihren Weg der Kunst passt und sind bereit jeden Preis zu zahlen, um ihrem kreativen Schaffen nachzukommen. Death Grips sind Chaos in dem man, falls man den Mut findet einzutauchen, unglaubliches finden kann.