The Green Child

BY

The Green Child

Release

08.01.2018

Label

Upset the Rhythm

Nach einer schier endlosen Odyssee in den Browser-Einstellungen (turns out ich musste meinen Ad-Blocker deaktivieren, dann nimm mein Geld/meine Daten eben nicht Spotify! Brrka Brrka) läuft es endlich durch mein Zimmer, das neue Album „The Green Child“ von, nun ja, auch die Band heißt „The Green Child“

Der Name ist eine Anspielung auf ein 1935 geschriebenes gleichnamiges Buch das von Herbert Read, einem englischen Kommunisten und späteren Anarchisten, verfasst wurde. Wem das bisher zu abenteuerlich klingt, dem kann nun aber gut zugeredet werden, auf die ersten sanften Töne kommt das Album wenig revolutionär daher. Eine stille Revolution vielleicht?
Das herauszufinden wird das Ziel einer kleinen Reise werden, oder zumindest ein Versuch, der natürlich auch tragisch in einer Sackgasse mit vorausgehender Irrfahrt enden kann.

Denn das Buch von Herbert Read ist seinerseits wieder inspiriert von einer alten englischen Legende, deren Begebenheit sich im 12. Jh. nach Christus abgespielt hat.

In dieser Geschichte geht es um zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, die in einem seltsamen Zustand in der Nähe des Dorfes Woolpit gefunden worden, mit grüner Haut, nicht zuordenbarer Kleidung und eine Sprache sprechend, die den Bewohnern des Dorfes nicht bekannt war.

Nachdem sie mehrere Tage das ihnen angebotene Essen verschmähten, trauten sie sich doch an die ihnen anscheinend fremden Nahrungsmittel und verloren langsam ihre grüne Farbe. Das Mädchen konnte diese Umstellung wohl besser verkraften, es lernte die Sprache des Dorfes und konnte später berichten, dass sie aus einem Land (oder einer Welt?) stammten, die sie St.-Martins-Land nannte, und in der alles dieselbe Farbe grüne Farbe hätte, die sie auch anfänglich so besonders hatte aussehen lassen. Der Junge verstarb kurze Zeit nach seiner Rettung.

Nun ist es wohl an der Zeit anzuführen, dass auch die Band „The Green Child“ aus einem weiblichen Mitglied, Raven Mahon, früher aktiv in der Band „Grass Widow“ aus San Francisco, und einem männlichen, Mikey Young, Gitarrist von Total Control aus Melbourne, besteht.

Im Roman von Herbert Read wird die eben erzählte Geschichte, in die damalige Gegenwart versetzt, auch wieder aufgenommen, auch hier stirbt der Bruder, das eine von zwei grünen Kindern früh, die Story setzt ein paar Jahre danach ein und ein neuer Charakter betritt die Szene, mit dem das Mädchen am Ende (Achtung Spoiler) in seine Welt zurück kehren kann.

So, nach einem kleinen Exkurs zurück zur Musik von „The Green Child“, die kann nämlich auch genauso gut für sich stehen, wenn man den literarischen Hintergrund außen vor lässt, allerdings konnte ich es mir leider nicht verkneifen ein paar Nachforschungen anzustellen, ich hoffe man kann das verzeihen.

Das Album selbst schwebt auf klaren Synthesizersounds und elektronischen Drums daher, dazu driftet bisweilen eine verirrte Gitarre durch den Raum und die Stimme von Raven Mahon hat meist viel Platz, den sie bedächtig zu nutzen weiß.Langsam wabern die einzelnen Elemente ineinander und verweben sich so schon mal zu einem Geflecht, das sehr unübersichtlich werden kann, wenn man einmal nicht aufgepasst hat.

Hektisch wird es erst mit dem vierten Song New Years Eve, der auf einen Aufbau der Spannung dreist verzichtet und einen, unterlegt von einem schnellen Rhythmus, gleich hineinwirft in einen Wirbel von verschiedensten elektronischen Spielereien einer scheinbar ziellosen Gitarre und dem Walking Distance kommt mit ein paar 80er Anspielungen daher, allerdings so als würden sie uns aus einer anderen Dimension oder vom Grund des Meeres (je nach Situation) gesendet werden.

„The Green Childs“ Musik als experimentell zu beschreiben ist gleichzeitig wahr und falsch, die Grenzen der Gitarrenmusik werden konstant überschritten, das heißt elektronische Elemente sind durchweg präsent, allerdings sind diese fast schon ein bisschen zu gut eingesetzt, klingen zu klar und ordentlich und zu bewährt um wirklich zu überraschen. Trotzdem kommt man nicht umhin, eine gewisse Andersheit aus diesem Record herauszuhören, ein organisches, atmendes Anderssein, das aber jetzt mit unserer Welt in Kontakt steht, dieses drückt sich aber vor allem in den Strukturen der Songs aus, die sich jeglicher Vorhersehbarkeit entziehen.

Auch der Gesang von Raven Mahon ist etwas besonderes, lang gezogene Töne erstrecken sich zu Anti-Refrains, die sich langsam und hypnotisch entfalten, und die ein paar Durchläufe gebrauchen können, bevor sie sich in den Gehörgängen festsetzen.

Das sich mit der Hintergrundgeschichte schon angedeutete Verhältnis von bekanntem und fremdem wird die ganze Zeit über ausgebreitet, ohne das Bedürfnis, sich entscheiden zu müssen oder können, auch wenn natürlich mal die eingängigeren Passagen, und mal das verträumte Synthesizer Chaos im Vordergrund stehen. Alles in allem ist dieses Album keines, dass sich beim ersten Hören vollständig erschließt, sondern ein Album, das je öfter man es hört immer besser wird, mit der Metamorphose vom Unbekannten zum Bekannten kann man immer mehr Gefallen an den eigenwilligen Kompositionen finden, und was einem vorher unklar und beliebig erschien, wirkt in einer Betrachtung des Ganzen nicht mehr so willkürlich sondern am richtigen Ort.