Now Only

BY

Mount Eerie

Release

16.03.2018

Label

P.W. Elverum&Sun

“People get cancer and die, people get hit by trucks and die.”

Es klingt fast nach Galgenhumor, was Phil Elverum da im Refrain des Liedes Now Only singt. Der Tod ist etwas alltägliches, etwas normales, scheint er damit sagen zu wollen und Recht hat er natürlich. Dass jeder Mensch irgendwann einmal zu sterben hat sollte inzwischen wohl auch in den hintersten Dörfern des Erdballs angekommen sein, er gehört zur irdischen Existenz genau wie die Geburt. Dennoch: Tod steckt natürlich viel mehr als bloß das Lebensende eines Wesens. Die Alltäglichkeit mag faktisch zwar vorhanden sein, doch was hilft das dem Trauernden, den Hinterbliebenen?

Kein sonderlich seichter Einstieg in einen Text über das Album des Monats, doch Now Only von Mount Eerie ist nun mal kein – entschuldigen Sie die inflationäre Verwendung des Wortes – normales Album. Das neunte unter dem aktuellen Pseudonym veröffentlichte Projekt des amerikanischen Songwriters Phil Elverum spielt sowohl in dessen Diskographie als auch im allgemeinen Musikveröffentlichungsdschungel eine Sonderrolle – wobei das mit der Diskographie nicht komplett akkurat ist, so handelte bereits Elverums vorheriges Album A Crow Looked At Me das gleiche Thema ab: den 2016 vorgefallenen Krebstod seiner Frau Geneviève sowie den Umgang mit diesem Trauerfall.

Man denkt es sich wohl bereits: ein Mensch, welcher sich grundsätzlich nur mit den sonnigen Seiten des Lebens auseinandersetzen möchte, ist mit Now Only falsch beraten und auch die meisten anderen Leser werden sich wohl fragen, warum man sich denn nun ein Album anhören sollte, bei dem einem bereits der Ankündigungstext einen unangenehmen Kloß in den Hals pflanzt. Nun: der Unterhaltung dient Now Only ungefähr so sehr wie der Besuch einer Beerdigung – dennoch entwickelt das Album in seinen ca. 45 Minuten Laufzeit einen starken Sog, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, wenngleich einem bewusst ist, dass das Gemüt dadurch möglicherweise kurzzeitig eine Dämpfung erfährt. Der Hörer wird – wie bereits bei A Crow Looked At Me – mitgenommen auf eine Reise durch die Gedankenwelt Elverums nach dem Todesfall. Diese Gedankenwelt offenbart sich beim Hören mit einer gewaltigen Ehrlichkeit und Ungeschöntheit. Sowohl in den ungewöhnlich direkten Texten, denen es dennoch nicht an Posie fehlt, als auch in den kleinsten Nuancen Elverums Stimme ist man unfassbar nah bei ihm, bildet sich gewissermaßen ein, zumindest im entferntesten fühlen zu können, was er fühlt und nachvollziehen zu können, wie solch ein Verlust sich auf einen auswirkt.

Genau wie A Crow Looked At Me wurde Now Only in dem Raum aufgenommen, in dem Elverums Frau starb – es ist gewissermaßen ein Tagebuch der Erinnerungen, der Trauer und der Bewältigung. Vergleichend mit A Crow Looked At Me lässt sich jedoch feststellen, dass die lyrischen Gedanken nun auch öfter – wie im Einstiegszitat dieses Artikels – vom individuellen Fall aufs große Ganze schließen. Jeder Mensch muss eine solche Phase irgendwann mal durchmachen, diese Erkenntnis scheint sich niedergelassen zu haben im Hirn des Musikers, welcher dennoch nicht entscheidend weniger als vorher mit seiner Existenz als “Verbliebener” zu hadern scheint. Das Gefühl der Absurdität des eigenen Lebens ist sehr präsent auf diesem Album: die Absurdität, von einem Musikfestival in der Wüste Amerikas eingeladen zu werden, um vor einem Haufen junger Leute auf Drogen Lieder über seine tote Frau zu spielen. Die Absurdität, überhaupt noch Musik zu machen. Die Absurdität, noch am Leben zu sein.

Einzelne Lieder des Albums hervorzuheben scheint sinnlos bei diesem Album, welches definitiv als Gesamtwerk zu betrachten und “genießen” (ein falsches Wort bei solcher Musik) ist. Sechs Kapitel, das trifft es wohl eher, enthält Now Only und natürlich unterscheiden diese sich voneinander – mal geht es darum, wie Elverum und seine Frau sich kennenlernten, mal wird anhand zweier Gemälde des norwegischen Malers Nikolai Astrup die eigene psychische Verfassung beleuchtet. Unterm Strich bleibt das Album jedoch ein großes Ganzes, einzelne “Hits” fürs nächste Vorglühen in die Spotify Liste zu stecken wäre sowieso eine absolute Absurdität, fast schon eine Respektlosigkeit.

Nun, es bleibt nicht mehr viel zu sagen über dieses Album, welches sowieso auf jeden anders wirkt und am besten einfach gehört werden sollte, wenngleich die früher bereits erwähnte Warnung der Nebenwirkungen auf die eigene Stimmung dabei nicht an Wirksamkeit verliert. Sicher werden die meisten Menschen lieber einen großen Bogen um Now Only machen und es ist gewiss kein Album, welches täglich auf dem Plattenspieler landet – dennoch ist Phil Elverum/Mount Eerie ein den Musikkontext überschreitendes Werk des Schmerzes, der Menschlichkeit, am Ende jedoch auch der Hoffnung gelungen.