What a time to be alive! Wir schreiben das Jahr 2018, deutschsprachiger Indierock meldet sich endgültig zurück. Isolation Berlin, Die Nerven, Messer, International Music, AnnenMay (Spaß) und nun das: Mit Swutscher taucht eine neue Band aus dem Hause Staatsakt unter dem Bierschaum auf und präsentiert mit Wilde Deutsche Prärie das Album der Stunde (bzw. unser Album des Monats).
Ein paar schrammelige Gitarrenakkorde, eine kratzig-gerauchte Stimme und treibender Rhythmus, der nur eine Richtung kennt: nach vorne. Swutscher verkörpern ihren Klang und instrumentalisieren ihren Alltag und das mit Bravour. Als Hörer durchgeht man dabei einen Drahtseilakt zwischen hemmungslosem Exzess und zerbrechlicher Melancholie, der seit Anfang Juni auf Vinyl festgehalten und käuflich erwerblich ist.
Einen “liederlich lebenden Menschen” beschreibt der Bandname im norddeutschen Sprachgebrauch und das kommt nicht von ungefähr. Beim ersten Anhören der Platte kann man schon gut das Chaos erahnen, das diese Lieder fabrizieren, wenn sie auf die Bühne gebracht werden. Schon die Studioversionen triefen von Schweiß, schal-getanztem Bier und der ein oder anderen Träne der Wut oder der Trauer. Genau diese Komponenten sind es dann auch, die das Live-Erlebnis definieren oder in den Mittelpunkt des Verlangens geraten, wenn man die Songs alleine zuhause hört.
Der rote Faden, der sich manchmal in-yer-face und manchmal nur seicht durch die Platte zieht, ist der Rausch. Swutscher sind keine Mitmenschen der Traurigkeit, und falls sich hier und da doch etwas Kummer breit macht, wissen sie genau was dagegen hilft. Lieder wie “Bierstübchen” oder “Samstagnacht” lassen schon am Titel erkennen, wo die akustische Reise hingehen wird.
Doch nicht alles ist Friede, Freude, Haschischkuchen. Auch Swutscher leben im Deutschland des Jahres 2018 und können dessen politischer Realität nicht komplett entfliehen. Bei Themen wie der aktuellen Flüchtlingssituation oder der deutschen Vergangenheit positioniert sich die Band klar im linken Spektrum und lässt dies, wenn auch nur oberflächlich, in Liedern wie “Im Westen” oder “Faxen Dicke” raushängen.
Fette verbrennen Kultur deiner Stadt.
Du bist kein Nazi aber… Ich hab’s so satt!
Letztlich werden die Jungs aus der Nähe von Hamburg auch von den gleichen Kummern heimgesucht, wie wir alle: Herzschmerz und die Sehnsucht nach ihr tauchen immer wieder im Album auf und wirken dabei fast wie ein Schulterklopfer auf den Zuhörer.
Sie machen die Band greifbar und zeigen uns, dass Spaß und Sorglosigkeit selten in reiner Form existieren. Sie sind die beruhigende Einsicht, dass wir alle in einem Boot sitzen und dass nicht jeder Rausch auf Spaß beruht. Und sie machen Hoffnung, dass mit den richtigen Leuten in der richtigen Bar alles für ein paar Stunden gut werden kann.