Finanzieller Erfolg gilt weithin als erstrebenswert: im Benz statt in der überfüllten U-Bahn zu fahren, nicht von raffgierigen Vermietern abhängig zu sein, im Alter nicht Pfandflaschen sammeln zu müssen: die Vorteile liegen auf der Hand. Doch es ist nicht alles rosarot im Reich der Champagnerflaschen und Mercedes-Coupes, Erfolg hat auch seine unschönen Seiten. Davon kann der Berliner Rapper Ufo361 nicht nur ein Lied singen, sondern gleich ein ganzes Album.
Erreicht hat Ufuk Bayraktar, wie der Kreuzberger mit bürgerlichem Namen heißt, besagten Erfolg mit einer Mixtapereihe, die auf den Namen Ich bin ein (bzw. 2,3) Berliner hört. Mit dieser verhalf er nicht nur dem Medium Mixtape zum Comeback im deutschen Rap, sondern auch der Berliner Rap-Szene auch zu einem modernen, turnuptauglichen Trapsound.
Doch das im April diesen Jahres erschienene Album 808 bricht mit der ausgelassenen Stimmung: die 13 Tracks erzählen die Welt eines Gewinners, der es geschafft hat und trotzdem nicht zur Ruhe kommen kann. Auf dem Intro-Track “Ohne Mich” rappt Ufo zwar von seiner zentralen Rolle im Deutschrap, berichtet aber auch, getragen von seiner markanten hochverzerrten Stimme, von sozialer Isolation als Folge: “ich fühl mich alleine viel sicherer”.
Der titelgebende 808-Bass bekommt als röhrende Untermalung des Tracks “Beverly Hills” seinen großen Auftritt. Auf diesem erzählt Ufo von recht internationalen Statussymbolen wie eben einer Villa in Beverly Hills oder dem obligatorischen Bentley. Doch trotz des Prunks ist auch dieser Track melancholisch: das Streben nach Reichtum wirkt wie eine Notwendigkeit: “hier zählt nur, ob du Kohle hast”. Sich von Neidern verfolgt fühlend konstatiert der Rapper verbissen: “wenn ich sterbe, ja, dann sterb’ ich als ein reicher Mann”.
Der emotionale Track “Gewinn” bricht ein Stück weit mit der Thematik des Albums. Ufo 361 rappt hier vom Gegenpol zu seinem neuen Lifestyle: von Perspektivlosigkeit, fehlenden Vaterfiguren, Armut. Seine Stimme überschlägt sich, während er Durchhalteparolen ausstößt. Ein unwahrscheinlicher, steiler Aufstieg wie der seine scheint die einzige Hoffnung für weite Teile der Gesellschaft. Dass auch dieser nicht ohne Selbstausbeutung vonstatten geht, hört man auf “Alpträume”. Und vermeintlich am Ziel angekommen gibt sich Ufuk nicht zufrieden: auf “Power” und “Erober’ die Welt” zeigt sich nur der Wille nach Macht, nach Mehr. Echter Seelenfrieden liegt in weiter Ferne.
Bei dieser starken Monothematik überrascht, dass 808 über die gesamte Länge interessant und unterhaltend bleibt, kein Track wirkt überflüssig. Auch begeistert Sound des Album, der zweifellos auf Augenhöhe mit zeitgenössischer US-amerikanischer Rapmusik ist (was sich durch die durchaus amerikanische Produzentenliste erklären lässt). Dies alles macht 808 zweifellos zu einem der spannendsten deutschen Rap-Alben des laufenden Jahres.