Karies ist eine multifaktoriell bedingte destruierende Erkrankung des Zahnhartgewebes (thanks Wiki) und außerdem eine hervorragende deutsche Post-Punk Band. Hervorgegangen aus der wegweisenden Stuttgarter Musikszene, die ja mittlerweile für einen erheblichen Teil der aktuell relevanten deutschsprachigen Gitarrenmusik verantwortlich zeichnet (laut Musikexpress ist Stuttgart ohnehin bereits das deutsche Seattle der 90er Jahre), brachte die vierköpfige Formation nun ihr drittes Album Alice bei der Münsteraner Label-Institution This Charming Man heraus. Auch hier haben die üblichen Verdächtigen aus der schwäbischen Szene wieder ihre Finger im Spiel gehabt. Die Nerven-Frontmann und Universalgenie Max Rieger produzierte das Album; Kevin Kuhn (ebenfalls die Nerven) bediente das Kit (wird auf der Live-Tour allerdings durch Human Abfall-Drummer Pavel Schwarz vertreten werden); dazu kreierte Levin Stadler (Levin Goes Lightly) das Artwork der Platte. Man sieht schon: Den personellen Verstrickungen dieses hochproduktiven musikalischen Mikrobiotops könnte man einige eigene Artikel widmen.

Jedenfalls machen Karies nach eigenen Angaben allerfeinste angry-young-man Musik, die sich irgendwo zwischen Früh-1980er-New Wave/NDW und Früh-1990er Diskursrock verorten lässt. Damit stoßen sie inmitten des derzeit feststellbaren Trends Richtung Neo-Neue-Deutsche-Welle auf fruchtbaren Boden. Knochige, repetitive Bassläufe und minimalistisch eingesprenkelte Gitarrenklänge treffen auf poetisch-kantigen (Sprech-)Gesang. Reminiszenzen an NDW-Klassiker wie Abwärts oder Grauzone sind nicht zu überhören. Dem momentan allgegenwärtigen 80er-New-Wave/Post-Punk-Sound drücken Karies dabei allerdings ihren eigenen Stempel auf. Vor allem im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben der Band Seid umschlungen, Millionen (2014) und Es geht sich aus (2016) ist Alice um einiges bunter und vielseitiger geraten. Zur post-punk-typischen Schwere, die das Schaffen der Formation bis dato prägte, gesellt sich hier eine neue Verspieltheit und Experimentierfreude. Synthie-Kaskaden, äußerst eingängige Hooks und sogar vereinzelte Auto-Tune-Einlagen bereichern die bewährte Klangpalette der Band. Damit lösen sich Karies ein Stück weit von der bloßen Reproduktion ihrer musikalischen Wurzeln und schaffen den Sprung zu einem eigenwilligeren, markanteren Stil. Wie die Nerven in ihrem neuen Album Fake, verfolgen auch Karies in Alice einen durchaus pop-orientierten Ansatz im Songwriting und Soundscaping und landen damit einige musikalische Glückstreffer. So tummeln sich trotz des düster-beklemmenden Gesamtsounds nicht wenige hitverdächtige Ohrwürmer auf der Platte, die sich ähnlich stechend in die Gehörgänge hineinfressen wie Karies in den Zahnschmelz (um hier nochmal den rhetorischen Bogen zu spannen).

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