Suspiria (Music for the Luca Guadagnino Film)

BY

Thom Yorke

Release

26.10.2018

Label

XL Recordings

Einen Soundtrack zum Album des Monats küren, bevor man überhaupt den Film gesehen hat? Das Campusradio spielt verrückt. Redakteure springen erregt auf, Stühle fallen krachend zu Boden, eine längst entsorgte, vom Label zugeschickte Matthias Schweighöfer Promo-CD fängt Feuer. Ausnahmezustand in Dresden. „Aber… aber er ist von Thom Yorke“, sage ich leise. Plötzlich: Sonnenschein, eine Wachtel singt Ave Maria, Frieden ist eingekehrt. Bernd „Björn“ Höcke kocht freiwillig im AZ Conny.

Nun, ganz so war es nicht. Dennoch: Suspiria, den neuen Film von Luca Guadagnino (zuletzt: Call Me By Your Name) habe ich noch nicht gesehen, es ist aber nun mal auch nicht irgendein Soundtrack, der hier zum Album des Monats ernannt wird. Suspiria ist die erste Filmmusik-Arbeit von Thom Yorke, seinerseits bekannt als Sänger der legendären Rockband Radiohead, Weltverbesserer und Jesus-Double. Jetzt also ein Horrorfilm-Soundtrack. Das mag überraschen, so sehen viele in Thom Yorke von Anfang an einen dauerweinenden Melancholiker, der in seinem Leben bestimmt noch nie einen Horrorfilm gesehen hat und lieber in Dauerschleife depressive Schwarzweiß-Tragödien aus der SZ-Cinemathek schaut. Das ist natürlich Schwachsinn. Sowohl mit Radiohead als auch als Solokünstler hat er bereits viele Genre-Experimente unternommen. Dennoch dürfte Suspiria die größte künstlerische Veränderung in der Diskographie Yorkes sein. Dies wundert nicht – ein Soundtrack ist nun mal auch ein Auftragswerk. Die Musik steht nicht für sich, sie muss in Verbindung mit dem Visuellen funktionieren (außer für diesen Artikel), auf welches der Musikschaffende keinen Einfluss hat.

Besonders überraschend ist es dennoch nicht, dass Suspiria ein außergewöhnliches, äußerst feinfühliges und diverses Projekt geworden ist. Da gibt es Lieder wie „The Hooks“, ein Instrumentalstück, auf dem man ein altes Klavier hört, welches nach – nun ja – Horror klingt und sich und den Hörenden dann immer weiter in eine düstere Gefühlswelt hineinsteigert, es gibt chorale Stücke, elektronische Stücke, aber eben auch von Thom Yorke wunderschön ins Mikrofon gesäuselte, fast Radiohead-esque Balladen. Ja, man könnte sagen, dass dieser Soundtrack alle Stationen der bisherigen Musik-Karriere Thom Yorkes in 80 Minuten versammelt, doch das ist so nicht richtig. Generell lässt sich Suspiria nicht einfach als ein weiteres Projekt in Yorkes Diskographie einordnen, da es eben durch den Soundtrack-Kontext nicht vergleichbar ist mit dem zuvor von ihm Erschaffenen. Selbstverständlich hört man als Yorke- und Radioheadkenner die Handschrift deutlich heraus, da ist aber auch noch etwas anderes, etwas Neues. Suspiria kann man weder als Radiohead-, noch als Thom Yorke-Projekt katalogisieren. Mit dem Soundtrack schlägt Yorke ein neues Kapitel ein, eröffnet quasi eine neue Diskographie, in welcher das Album der erste Eintrag ist. Und man darf gespannt sein, was folgt.