Donnerstag, 9. Mai, Leipzig Conne Island. Ein ausverkauftes Haus voller Menschen, die bereit sind, sich in wenigen Stunden durch Worte und Töne tief berühren zu lassen. Zwischen Jetzt und dem sehnsuchtsvoll erwarteten Erscheinen der Künstlerin mit den blonden kurzen Haaren, der großen Brille und dem sympathischen Lächeln stehen nur noch Minuten. Diese werden gefüllt von der Vorband AB-Syndrom, die schon jetzt alle Erwartungen an den bevorstehenden Abend übertreffen. Zwei Berliner hinter Schlagzeug und Keyboard bringen die Crowd nach wenigen Minuten zum Mitwippen und nach wenigen Takten zum ausgelassenen Tanzen. Mit außergewöhnlichen Beats und Texten für anspruchsvolle Ohren lockern sie das Publikum auf und stimmen auf einen musikalischen Abend der Extraklasse ein. In meinen Augen eine viel zu unterschätzte Band, die um einiges mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Live außerdem ein absoluter Hingucker mit ihrer dynamischen Art, dem absoluten Musikgefühl und einer beeindruckenden Peformance. Alle Effekte spielen Anton und Bennet auf der Bühne ein und wer reinhört, wird sich entfernt vorstellen können, welch Talent hinter so einer Darbietung versteckt ist. Der erste Teil des Abends war also ein voller Erfolg und schon jetzt das Geld und die Fahrt aus Dresden wert.
Dann endlich betritt Mine die Bühne, samt Team. Neben Schlagzeugerin Linda-Philomène Tsoungui und Bassistin Vroni Fischer, die schon letztes Jahr auf der Trio-Tour dabei waren, wird Mine in diesem Jahr noch von einem Gitarristen und Keyboardspieler begleitet. Sie selbst nimmt ebenfalls hinter ihrem Keyboard Platz. Lauter Applaus und Jubel zaubern schon vor dem ersten Ton allen Anwesenden ein breites Grinsen der Vorfreude auf die Lippen. Und auch in Mines Gesicht spiegelt sich eine Mischung aus Ungläubigkeit und Glücklichsein wieder. Es folgen Stunden voller musikalischer Vollkommenheit und Nischen-Pop.
Anlass der Tour ist ihr neues Album Klebstoff, welches am 12.4.19 veröffentlicht wurde. Der gleichnamige Song darauf schafft einen Moment großer Intimität, bei dem uns die Sängerin tief in ihre Seele blicken lässt. In einem Moment der Stille singt sich Mine mit „Ich bin ein Egoist“ direkt unter die Haut der Zuhörer und bringt wohl in jedem einen Stein der Selbsthinterfragung ins Rollen. Die Lieder von Mine vereinen Traurigkeit, Tiefe und Schönheit auf so wundersame Weise, wie es wohl wenige Künstler vermögen und berühren genau deshalb auf so tiefer Ebene. Mit ihrer breiten stimmlichen Präsenz, dem Feingefühl für kleine, große, leise und laute Töne und Texten, die Kopf und Herz fordern, schafft Mine ihre ganz eigene Musik, die sich vom Radio-Pop auf so vielen Ebenen abhebt. Zwischen Selbstgespräch, Selbstzweifel und Selbstakzeptanz findet sich jedoch auch eine gute Portion Gesellschaftskritik in ihren Liedern. Mit „Nichts“ und „Erdbeeren ohne Grenzen“ übt Mine Kritik an der Konsumgesellschaft, in der wir leben und der aktuellen Musikindustrie. „Geschmack ist, wenn du sagen kannst, das kenne ich schon“ singt sie, getragen von den Händen ihrer Zuhörer und Hunderte singen mit. Eigentlich wird der Refrain sonst vom Rapper Fatoni gesungen. Das Fehlen ihrer Features stellt bei einem so engagierten und talentierten Team allerdings kein Problem dar. Da übernimmt die Schlagzeugerin eben mal den Rap-part und der Rest der Band schreibt eigene Strophen. So wird das Konzert von Mine zu einem einzigartigen Erlebnis, das sich niemand entgehen lassen sollte. Nachdem AB-Syndrom ein zweites Mal die Bühne betreten und mit Mine ihren gemeinsamen Song „Spiegelbild“ samt Tanzchoreografie und Trompeteneinsatz zum Besten gegeben hat, neigt sich der Abend dem Ende entgegen. Stunden, die sich wie Minuten anfühlten und das Publikum dankt es ihr mit begeistertem Applaus. Ein gelungener Abend, der in Erinnerung bleiben wird.
Mein persönliches Fazit: Von dieser sympathischen Frau, die mit alten Kinderaufnahmen ihre Lieder ankündigt, trotz langer Musikerfahrung bodenständig und nahbar bleibt, sich immer wieder mit neuen Instrumenten herausfordert und ständig weiterentwickelt, sollte sich jeder inspirieren lassen.