Wer Von Wegen Lisbeth als überbewertete Berliner Hipster Indie-Gruppe abtut, lässt sich einiges entgehen. Denn auch wenn vom Bandnamen über die Textinhalte bis hin zum Anfang Mai erschienenen Album sweetlilly93@hotmail.com alles fancy durchfrisiert wirkt, unterläuft bei genauem Hinhören die unaufgeregte Dauerironie den Eindruck von oberflächlicher Selbstinszenierung. Während die mit stimmungserhellenden Glockenspiel-Klängen unterlegten Songtexte natürlich auch für diejenigen geeignet sind, die Musik gerne einfach nebenher konsumieren und sich im wonnigen Gute-Laune-Beat suhlen, können vor allem sarkastische Hobby-Gesellschaftskritiker*innen auf ihre Kosten kommen. So gut wie jeder der 13 Titel bewegt sich in alltäglichen Happenings, in denen ein jeder Mensch der Generation Y sich selbst wiederentdeckt. Oder eben nicht. Sind ja immer die anderen, die den Widerspruch in sich tragen.
Genau das wirkt wie die Kernkompetenz der Band, die auf unterhaltsame Art und Weise mit dieser Abgehobenheit spielt – zuvor auch schon mit ihrem Vorgängeralbum Grande von 2016. Für mich erweckt das einen sympathischen Eindruck, denn sie starten nach wie vor nicht den müdesten Versuch, vorzutäuschen, dass ihre Musik unentbehrlich für diesen Planeten ist oder im besonderen Maße tiefsinnige Botschaften verbreiten müsste. Von Wegen Lisbeth reiht sich nicht dort ein, wo pseudomäßig Bedeutung vorgegaukelt wird. Sie schreien nicht: Schaut her, wir sind super deep und kennen die Liebe, das Leben, das Leid. Nö, vielmehr setzt die Berliner Gruppe auf Statements. Im letzten der 13 Lieder -“Irgendetwas über Delfine”- heißt es Ich kauf Avocados aus Peru / Und schmeiß Kippen auf den Boden. Was auf den ersten Blick wie eine stinknormale Aussage bzw. Feststellung daherkommt, wird vor allem von denjenigen als zutiefst ironisch wahrgenommen, die ihren Verstand inmitten der hier besungenen, konsequent inkonsequenten Menschen zu verlieren drohen. Und wenn vielleicht sogar du diese Person bist, wirken diese Zeilen möglicherweise wie eine unterschwellige Läuterung, die Spuren von Umdenkprozessen enthalten kann.
Dass allerdings Haus-Maus-Reime wie “Pisse” auf “vermisse” im ersten aus dem neuen Album ausgekoppelten Song “Westkreuz” manch einem oder einer nicht gerade Hörgenuss verschaffen, ist ebenso nachvollziehbar. Allerdings ist das Kokettieren mit absurden Vergleichen unentbehrlich für die urkomische Kombi von Gameboysounds und skurrilen Instrumenten mit dem unverkennbaren, teilweise kryptischen Wortwitz. Einmal im Ohr, wandern die merkwürdigen Klänge durch die Gehörgänge und bewirken unwillkürlich ein munteres Zappeln der Füße.
Auch bei “Wieso” kommt keine*r umhin, seine gesamte Körpermasse nicht wenigstens geringfügig im Takt der Indie-Beats zu bewegen. Als Einstieg in das Album sweetlilly93@hotmail.com (die E-Mailadresse existiert übrigens und gehört Von Wegen Lisbeth, falls jemand elektronische Liebesbotschaften an die Berliner schicken möchte) eignet sich der funky Song allemal. Und verdeutlicht gleich zu Beginn, dass die Musiker ihrem außergewöhnlichen Stil aus dem Vorgängeralbum treu geblieben sind. Fans der alten Dauerbrenner wie “Bitch” oder “Sushi” dürften nun selig unter Freudentränen den 40 Minuten geballter Ironie und sonnigem Synthiesound des neuen Albums lauschen.