Comebacks und Reunions – das ist immer so eine zwielichtige Angelegenheit. Einerseits erfreut man sich daran, ein neues Album einer Lieblingsband erwarten zu dürfen, bei deren letztem Release man noch knackige fünf Jahre alt war. Demgegenüber steht der gemeine Verdacht, das Geld ist alle und es muss dringend neues her. Aber wie? Ein normaler Job? Auf keinen Fall, die Leute da draußen sollen mich bitte bezahlen. Also ein neues alle Erwartungen sprengendes Album, das vielleicht nicht so gut wie die alten ist, aber immerhin zeigt, dass man sich nicht nur auf seinen mühsam gesammelten Lorbeeren ausruht. Bei „The Microphones in 2020“ war das von vornherein NICHT so. Keine Zwiespältigkeit: „der Phil ist doch ein guter Kerl, der trägt vielleicht Kummer und Sorgen mit sich, aber geldgierig ist der bestimmt nicht“. So in etwa erklang es nach der Info, the Microphones würden die Welt im August diesen Jahres mit einem neuen Album beglücken. Die Neuigkeiten daraufhin ließen nicht schlecht staunen: ein Filmchen sollte das Album begleiten und das Album selbst ist weniger ein Album, als ein Song auf Albumlänge. Nun denn lieber Phil.

Seitdem Phil Elverum die Microphones in Norwegen rituell der Vergangenheit überlassen hat, sind einige Jährchen vergangen, 17 um genau zu sein. Nachdem 2003 „Mount Eerie“ erschien, beschloss er kurzerhand zukünftig nur noch unter diesem Namen Musik zu machen. Mit der Zeit wurde es immer folkiger und die Verstärker und Dissonanzen gerieten stark in den Hintergrund. Doch im Juni letzten Jahres (also nach 16 Jahren Microphones-Abszenenz), beschloss Elverum kurzerhand ein Microphones-Konzert im Beisein einiger Vertrauter zu spielen. Dieser Abend ist wohl die Geburt dieses Albums. Die alten Songs wieder zu spielen, die er wohl schon lange nicht gespielt hatte, lösten in ihm wohl ein großes Fragezeichen aus. Eine Spurensuche durch seine Jugendjahre, die Jahre in denen the Microphones reifte, und die Jahre der Band selbst begann. Insbesondere die Frage nach Identität und der Zusammenhang zwischen seinem damaligen und heutigen „Ich“ spielten bei dieser Reflexion eine besondere Rolle. Nach ungefähr einem Jahr (in deren Verlauf er nebenbei auch noch ein Mount Eerie Album rausgebracht hat, wir berichteten) schließlich war der Prozess, der sich in einem Album niederschlagen sollte, von offizieller Seite aus beendet.

Wie eine Sammlung von Notizen, Geistesblitzen und Momentaufnahmen mutet das Ergebnis an. Es wird ungefiltert Zeugnis abgelegt, über seine Reifung, die unweigerlich mit seiner musikalischen verbunden ist, über Fragen, die sich damals aufdrängten und vielleicht zwischendurch in den Hintergrund gerückt sein mögen, aber nie beantwortet wurden. Über die Suche nach Bedeutung, Ewigkeit, Einheit. In seiner ungestümen Transparenz schon beinahe an Mark Kozelek erinnernd, klärt Phil Elverum das ein oder andere auf. Aber etwas fehlt, das er nicht so ohne weiteres in einem Song offenbaren kann und wozu auch wohl meine bescheidenen Stundentenradio-Fähigkeiten nicht herhalten. Möglicherweise aber erahnt man es, wenn man in aller Ruhe das 45-minütige „The Microphones in 2020“ hört, das zugehörige „Lyric Video“ schaut und dabei in die tiefsten Tiefen menschlicher Existenz eindringt. Einsam wird man sich nicht fühlen, wir sitzen schließlich alle im selben Boot.