Viel wurde geschrieben über die Musik International Musics. Velvet Underground hier, Simon & Garfunkel dort. Ach ja, und die Beatles, die Byrds natürlich, die Neue Deutsche Welle. Stimmt natürlich alles, jeder dieser Einflüsse lässt sich irgendwo in International Musics Musik verorten, das ist in Ententraum nicht anders als noch beim Debüt-Album Die besten Jahre. Und trotzdem: all diese großen Namen, all diese Zutaten, helfen nun einmal nichts, wenn man aus ihnen nichts Gescheites zu kochen vermag.
Dass International Music das können, ist ein Glück für uns Zuhörer und Zuhörerinnen. Es ist insgesamt ein Glück für die deutsche Musiklandschaft, insbesondere natürlich für die des deutschsprachigen Rock, dem International Music, und das muss man mit so viel Vergangenheits-Bezug erst einmal schaffen, tatsächlich neues Leben einhauchen. Doch das liegt eben nicht daran, dass Peter Rubel, Pedro Crescenti und Joel Roters ihre Referenzen auf Ententraum erneut fröhlich offen vor sich her tragen – vor allem ist es der Tatsache zu verdanken, dass die Songs schlicht und einfach wahnsinnig gut geschrieben sind.
Das gilt sowohl für die Instrumentals – all die in diesem Text bereits genannten Stile und Bands (sowie viele weiter) kulminieren hier in Melodien, denen Pop-Pathos genauso sehr innewohnt wie fricklige Avantgarde-Arrangements und ein spielerischer Umgang mit gewohnten Song-Strukturen. Das Ganze auf einen Stil, auf ein Genre herunterzubrechen, führt ins Nichts – dazu unterscheidet sich eine laut Crescenti an ABBA und Queen angelehnte Rockoper wie “Wassermann” zu sehr von Stücken wie dem rhythmusgetriebenen Nummern wie “Spiel Bass”, dessen Grundlage sich eher im Post-Punk vermuten lässt. Solche Genre-Wechsel, die teils auch innerhalb einzelner Lieder stattfinden (das recht stringente “Misery” öffnet sich beispielsweise gegen Ende so sehr, dass die Gesangsmelodien als den Instrumenten gleichgelagerte Instrumentalspuren erklingen, wodurch auf einmal ein Fugen-artiges Gebilde entsteht) verleihen Ententraum eine eigene Dynamik. Das ist verspielt, das ist überraschend, das ist eigentlich immer großartig.
Ähnlich schwer zu verorten sind die Songtexte dieses Ententraums: mit rational-fetischisierender Verstehwut kommt die geneigte Leserin hier nicht weit. Aber wozu auch einen kohärenten Sinn in den verschwurbelten Lyrics suchen, wenn man sich auch einfach den kleinen Bildern, den besonderen phonetischen Eigenheiten hingeben kann?
Kopf gerade aus, Nacken nieder, Blick in das Weite
“Insel der Verlassenheit
Feines Lächeln, kein Applaus
Dritter Gang, gerade aus, nasses Laub
Sonnenstrahlen, Energie Gebündel
Ludwig Van am Ende seines Lebenstraums
So ist Ententraum am Ende ein Album voller kleiner und großer Momente kurioser Schönheit: wenn Peter Rubel auf dem schwelgerischen “Dschungel” auf einmal mit gebrochener Stimme “Früher war ich noch hart, weder rund noch eckig” schreit, wenn seine und Pedro Crescentis Gesangsklänge sich in “Misery” langsam aber sicher gen Himmel schrauben, bis sie gefühlt die Wolkendecke aufzubrechen vermögen, dann möchte man nicht verstehen, man fühlt schon genug.