Wie viel kann ein Mensch ertragen? Vieles ist hinnehmbar, aber drei Jahre am Stück ohne Leipziger Buchmesse, das ist selbst den widerständigsten Geistern unter uns zu viel. Nach der Absage dreier Großverlage aus nicht unberechtigter Sorge um die Gesundheit ihrer VertreterInnen, hat sich die Leipziger Buchmesse auch dieses Jahr wie schon 2020 und 2021 gezwungen gesehen, die Messehallen lieber leer und die Bücher zugeklappt zu lassen. Auch eine Verlagerung ins Digitale wie letztes Jahr wird es nicht geben, einzig der Preis der Leipziger Buchmesse wird verliehen.

Doch 2022 scheinen die Dinge anders zu liegen. Von höchster Instanz folgte nach der Bekanntmachung Mitte Februar unmittelbar Kritik: Kultusministerin Claudia Roth und Ministerpräsident Michael Kretschmer befürchteten durch den Entschluss eklatante – auch aber nicht nur wirtschaftliche – Schäden für den Branche und die Literatur im Allgemeinen. Die Leipziger Buchmesse, sonst im Gegensatz zur westdeutschen Frankfurter Buchmesse vorwiegend eine Publikumsveranstaltung, ist als frühjährlich stattfindendes Vermittlungsorgan zwischen Verlagen, AutorInnen und Leserschaft eigentlich unersetzbar und als wäre die Messe da nicht schon gelesen wird zudem das europaweit größte Lesefestival „Leipzig liest“ abgesagt.

Leif Greinius, einer der Initiatoren | Foto: Sven Hassel

Die Entscheidungen waren da natürlich nicht mehr rückgängig zu machen, einzig möglich schien es da nur, eine Alternative zu schaffen. Bald kursierten die Hashtags #leipzigliesttrotzdem und #leipzigliestweiter, nanu dacht man da und schließlich wurden die beiden Festivals „buchmesse_popup“ und „weiter:lesen2022“ in kürzester Zeit auf Initiative der Verleger Leif Greinus vom Verlag Voland & Quist und Gunnar Cynybulk vom Kanon Verlag ins Leben gerufen. Unterstützt werden sie dabei nicht nur von kleinen Verlagen, sondern auch von echten Schwergewichten wie den Aufbau Verlagen, C.H.Beck, Hanser, Klett-Cotta und Suhrkamp/Insel. Claudia Roth nennt das „Punk“.

WERK2

Das Werk 2: Statt Glasfassade, industriell-urbaner Charme | Foto: Falk Kohnke

Von Freitag den 18. bis Sonntag den 20. 03. wird es trotz aller Widrigkeiten über 60 Lesungen, die zu je 3 Euro gebucht werden können, sowie eine Messehalle mit unzähligen Verkaufsständen, die für zwei Stunden zu 6 Euro zugänglich ist, geben. Lesen werde u.a. Sven Pfizenmaier mit “Draußen feiern die Leute”, Daniel Wisser aus “Tausend kleine Traurigkeiten – Politische Kommentare”, Marc Degens aus “Selfie ohne Selbst”, aber auch Heike Geißler und Daniel Schulz werden ihre neuen politischen Romane experimenteller Form vorstellen.  Im Gegensatz zu den hypermodernen Hallen des Messegeländes sorgen die Räumlichkeiten des Werk 2 und der Suedbrause in Connewitz auch für den angemessenen „alternativen Punkcharakter“.

Obendrein wird es Samstagabend ein Ukraine-Podium in Zusammenarbeit mit dem PEN unter dem Motto „Nein zu Putins Krieg!“ geben zu dem Präsident Deniz Yücel selbst begrüßen wird.

Wir werden uns das ganze anschauen und für euch live vor Ort berichten!