November ist Fast Forward Zeit. Hier hört ihr unsere Eindrücke aus den ersten Stücken des Festivals für junge europäische Regie 2023.

Allerdings vorab eine kurze Triggerwarnung. Dieser Beitrag beschäftigt sich auch mit den Themen Tod, Trauer, häuslicher Gewalt, Homophobie und Suizid.

Goodbye, Lindita von Regisseur Mario Banushi aus Griechenland:

In einem Wohnzimmer wird Wäsche gefaltet, dabei rauscht ein Fernseher. Im Bett gegenüber schläft jemand. Schwere Schritte ziehen über den Boden und werden von einem tiefen Schluchzen begleitet. Ein lebloser Körper wird aufgebahrt, an dem sich eine Gruppe von trauernden Menschen versammelt. Doch was im ersten Augenblick wie ein Abschied aussieht, verlässt im nächsten Moment den Raum der Alltäglichkeit, und verwandelt sich in eine Grenzerfahrung die zwischen Leben und Tod, Realität und Fiktion changiert. Gefangen im patriarchalen Käfig werden weibliche Körper determiniert und zur leblosen Puppe degradiert. Die sich auftürmende Apokalypse ist gesetzt. Regisseur Mario Banushi kreiert dabei einen gleichermaßen poetisch visuellen, wie auditiven Strudel, dessen Bilder sich tief ins Gedächtnis brennen. 

Aus dem Stück Goodbye, Lindita von Regisseur Mario Banushi – fotografiert von Theofilos Tsimas

Our Son von Regisseur Patrik Lazić aus Serbien:

“Ich liebe dich, so wie du bist” – für diesen Satz hat der Vater lange geübt. Als Antwort erhält er vom Sohn nur ein Lachen. Wir sitzen in einem serbischen Wohnzimmer,.in der Mitte ein Tisch, drei Stühle. Der Sohn kommt zu Besuch. Für anderthalb Stunden erleben wir genau das mit. Mit jedem Satz erfahren wir mehr über das Leben der Familie und den Sohn, der homosexuell ist. Laut der Mutter, weil der Vater sich nicht genug um ihn gekümmert hat. Laut dem Vater, weil die Mutter ihn zum Chor geschickt hat. Und der Sohn? Möchte einfach nur seinen Freund vorstellen. Ein sehr persönliches Stück, das nah und spannend von Beziehungen in Familien erzählt.

I’m Still Excited! von Regisseur Mario Coelho aus Portugal: 

Mit großen Erwartungen geht man in “I’m still excited”. “Es ist meine Party, und ich mache, was ich will”, lässt Regisseur Mário Coelho vorab verlauten. Die als “Post-Love-Labyrinth” titulierte Produktion nimmt sich in der Tat vieles vor, wenn sie autofiktionale Liebeserfahrungen mit gesellschaftlichen Mythen spiegelt, ganz unillusorisch. Das Stück zeigt (grob) die kompliziert anmutende Genese eines Stücks über einen Film über eine verblühte Liebe. Die beiden Protagonist*innen als Verflossene tanzen, fluchen, räkeln sich, behüpfen das Publikum, ziehen sich obligatorisch aus und springen wild durch die Fiktionsebenen. Die vierte Wand wird vollständig niedergerissen, das Publikum aufgefordert sitcom-haft zu lachen, auch wenn selten etwas wirklich lustig ist. Das Stück bemüht sich, jeden seiner Schritte im nächsten Moment ironisch auszuhebeln. Originell darin zu sein, seine mangelnde Originalität zu zeigen und die angenommenen Erwartungen der Zuschauer*innen zu hintergehen. Vieles davon wird nicht eingelöst, es sind zwei Stunden allzu konstruierter Entfesseltheit, die viel abverlangen.

Die Musik, die ihr in dem Beitrag hört, stammt aus den Stücken.

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Eine Review von Sara Booth, Philipp Hechtfisch und Annie Vandalewsky.