Das Warm-up für das Polimagiefestival fand, wie schon in der Vergangenheit, im gemütlichen Ostpol statt. Für das doch sehr kleine Line-Up an diesem Abend fanden sich so viele Indie-Liebhaber*innen zusammen, sodass es vor der Bühne keine freien Stehplätze mehr gab, obwohl es erst der Auftakt an einem Mittwochabend war. Lúisa und Kratzen, als zwei der wenigen Acts aus Deutschland dieses Jahr, stimmten das Publikum für die kommenden Tage ein.

Ab Donnerstag ging es dann los im beatpol. Speziell für dieses Festival wurde der Perfomancebereich durch eine zweite Bühne erweitert. Der Festivaltag war dominiert von äußerst jungen Bands. Mit der Folly Group, The Clockworks und Circa Waves zeigten sich junge Gesichter, die die Fähigkeit besitzen, den alten Indie-Helden aus den British Isles ehrwürdig – das Zepter abzunehmen. Auch die sechsköpfige Band Boogie Belgique stach mit ihrem einzigartigen Elektro-Swing Sound besonders hervor.

Am Beginn des Wochenendes wollten die Organisatoren des Festivals wohl mit besonders viel Energie loslegen, denn von Anfang bis Ende wurden aufregende, schrille und mitreißende Performances dargeboten. Tramhaus löste bereits gegen 20 Uhr einen starken Bewegungsdrang im Publikum aus, dann nahm Henge uns mit zu einer intergalaktischen Reise durch das Universum, um außerirdische Kulturen kennenzulernen. Das gelang ihnen mit den unterschiedlichsten Rock und Funk-Stilen im Schlepptau. Ditz testete die Stabilität des Bühnengerüsts und die Standfestigkeit des Publikums mit mehreren Stagedivings und Moshpits aus. Das große Finale des Abends lieferte Baxter Dury, dessen Brit-Pop sogar ihn selbst in Flammen aufgehen ließ.

Der vorletzte Festivaltag startete mit dem walisischen Sextett Namens CVC. Die junge Band stach besonders hervor durch gleich drei sehr talentierte Sänger und einer Professionalität die bereit zu sein scheint für die großen Bühnen Europas. Courting brachte das Publikum mit ihrem Punk/Hyperpop Sound zum Pogen bevor die Indieband Porridge Radio nicht nur mit ihrem Sound, sondern vor allem mit ihrem wiedererkennbaren und vielseitigen Gesang der Frontfrau, viele ihrer Fans erreichte. Die zweite Bühne schien mit Powersolo ein anderes Tempo vorzusehen. Die dänische Garage/Psychobilly Band brachte Fans der Rockabilly-Szene so sehr ins schwitzen, dass so manche völlig triefenden Shirts auf der Toilette gewechselt werden mussten. Der letzte Auftritt des Abends galt Cari Cari, der Indie-Pop Band aus Wien. Neben der Fülle von bekannten Songs und Sounds, die ihre ganz persönliche Note tragen, gab es auch perfekt getimte Bühnenbildern. Besonders die Sängerin faszinierte das Publikum mit ihrem großen Repertoire an Instrumenten, die sie für ihre Auftritte nutzte. 

Der finale Festivaltag war angebrochen und das beatpol begrüßte das Publikum in einer äußerst düsteren Form. Für den ersten Act des Abends wurde sogar auf das Kühlschranklicht der Bar verzichtet. Dazu lief bereits die Tonanlage mit sehr speziellen Durchsagen für Sachsen und Dresden.  Die Priorität bei AUGN liegt nicht in der musikalischen/live Wiedergabe der Songs, stattdessen wirkt das Gesamtkonzept des Auftritts wie eine Kritik die sich gegen alles und jede*n richtet. Das Kontrastprogramm folgte gleich darauf mit den Kids With Buns. Die beiden Musikerinnen aus Belgien hatten so eine Freude bei ihrem Auftritt, dass die Energie der Band ausreichte, um die Sympathie der Gäste sofort für sich zu gewinnen. Den Abschluss des Polimagie Festivals gestaltete der Künstler nand. Mit seiner Musik repräsentiert er eine Generation, die besonders früh und in Eigenregie gelernt hat, eigene Musikprojekte zu realisieren. Mit frischen Beats und Trompete performte der Klangkünstler neben alt bekannten Hits wie “Wohlfühlen” oder “Aperol Spritz” auch noch bereits unveröffentlichte Songs.

Cari Cari

Cari Cari

Henge

Henge | Bilder: Josefine Lampen

 

Eindrücke aus unserer Redaktion

Laura: Meine persönlichen Highlights

Von den Liveperformances stand für mich vor allem die der britischen Noise-Rock und Post-Punk Band DITZ aus Brighton heraus. Seit ihrer Gründung 2016 und ihrem Debutalbum „The Great Regression“ touren sie durch Europa und waren schon auf vielen Festivals vertreten. Callum Francis, der Kopf der Band, mit gebleachten Haaren und Blumenrock, zog den absoluten Fokus während der Show auf sich. Egal ob waghalsiges Klettern auf dem Bühnengerüst, wildes Headbangen oder ein spontanes Stagediving. Die lässigen Tanzeinlagen holten die tobende Menge ab, die mit pulsierenden Moshpits reagierte.

Inhaltlich drehen sich die Texte der Gruppe um Themen wie Gender, Identität und Persönlichkeit. Aber auch vor Kritik an leerem Aktivismus, Klassenunterschieden und dem Sinnlosigkeitsgefühl der Niedriglohnbeschäftigung schrecken sie nicht zurück. Musikalisch sticht vor allem das brillante Gitarrenspiel von Anton Mocock und Jack Looker hervor, dass die politischen, intimen und poetischen Vocals energiegeladen begleitet. Ob geballte Noise, murmelnde Stille oder Kakophonie: die Atmosphäre und Stimmung, die die Band erzeugt, lädt auf eine rasante Achterbahnfahrt ein.

Meine Songempfehlungen: „I am Kate Moss“ (2022),„Ded Würst“ (2021) und „Fuck the Pain Away“ (2020).

Ein Highlight, das ich niemals wieder vergessen werde, war auf jeden Fall auch die Show von AUGN, die ich als „Antiperformance“ betiteln würde. Vor dem Auftritt wurde das Publikum mit düsteren Nebelschwaden, einem riesigem Tom Cruise Portrait auf dem Bühnenbild und einer repetitiven Durchsage auf einer Audiospur empfangen: „Dresden ist scheiße“ und „Du wirst nicht viel bekommen für dein Geld.“ Die anonymen Musiker, einer am Bass mit dem Rücken zum Publikum und der Andere, die simplen Textpassagen vom Handy ablesend, trugen Strumpfhosen auf dem Kopf. Ihre halbgesprochenen und halbgebrüllten Texte sind zentrales Sprachrohr ihrer Kritik an einer Bandbreite gesellschaftlicher Entwicklungen, ganz egal ob politisch, kulturell oder sozial. Ob Ostdeutsche, Tinder-Nutzende oder Bitcoin-Investor/innen- keiner bleibt vor ihrem Zynismus verschont. Trotz des beinah anmaßenden Humor sind sie durchaus unterhaltsam und ihre Lyrics fressen sich als nervige Ohrwürmer ins Gedächtnis.

Gute Stimmung / Alle freundlich / Studiern’ ist cool / Sind gut drauf

Aus DEUTSCHRAP IST TOT

Fazit der Show: der Großteil des Publikums scheint verärgert oder gar verstört. Niemand klatschte, da der in schmerzender Lautstärke eingespielte Applaus und das angehende Scheinwerferlicht die Menschen in Fragwürdigkeit und leicht verlegende Ratlosigkeit versetzte. Sie erinnern mit ihrem Auftreten und Sound an die britischen Sleaford Mods, bloß eben in deutsch. Nichtsdestotrotz wird man neugierig auf das, was von dem Duo noch so folgen wird. Manchmal ist es auch bloß stumpfe Satire, die eine Gesellschaft zur (ungewollten) Selbstreflexion braucht. Am 14. November 2024 spielen sie im OstPol.

 

                     

Ein großes Lob an das Organisationsteam vom BeatPol! Es gab weder lange Stehzeiten an der Bar noch an den Toiletten. Auch im Publikum schienen sich, trotz Altersunterschiede und Fans aller Musikgenres, alle wohlzufühlen. Wir bedanken uns herzlich, dass wir dieses Jahr wieder dabei sein durften!

Der Ticketverkauf für das Polimagie Festival 2025 hat bereits begonnen!

Tickets für POLIMAGIE FESTIVAL 2025 – FULL FESTIVAL TICKET @ Beatpol & Ostpol | Dresden | Mi, 9. Apr. – So, 13. Apr. 2025 | ab 97,90 € (loveyourartist.com)

Ein Text von Ralph Sluger, Josefine Lampen und Laura Slapa