IV

BY

BADBADNOTGOOD

Release

08.07.2016

Label

Innovative Leisure

Die drei Gründungsmitglieder Alexander Sowinski, Chester Hansen und Matthew A. Tavares von BadBadNotGood, als BBNG abgekürzt, haben sich bei ihrem Musikstudium kennengelernt. Sie besuchten alle das Humber Collage in Toronto und nahmen dort am Jazzprogramm teil. Schnell merkten die Drei, dass sie nicht nur der Jazz, sondern auch ihre tiefe Liebe zum HipHop verband. Besonders der der Künstler MF Doom und des Odd-Future-Kollektivs um Tyler The Creator sind für alle drei von großer Bedeutung. Aus dieser Liebe ist auch der Wunsch entstanden, gemeinsam Songs von MF Doom und Odd Future auseinanderzunehmen und neu zusammenzusetzen. Unter anderem auch für eine Musikprüfung, leider mit wenig Erfolg. Dieser Song sollte jedoch der Beginn ihrer Karriere sein. Tyler, The Creator ist auf das Video gestoßen und brachte BBNG in das Bewusstsein vieler seiner Fans. Kurz darauf raffte sich das Trio zusammen und nahm seine erste Demoplatte auf, die aus Neuinterpretationen von Tribe Called Quest, Waka Flocka Flame und  Odd Future bestand. Nach dem Bandcamp-Release des Demoalbums im Jahr 2010 bekamen BBNG erste Gigs an Land gezogen. 2011 kam letztendlich das erste Album BBNG I heraus, welches in einer dreistündigen Jamsession entstand. Im darauf folgenden Jahr kam bereits das nächste Album BBNG II  heraus. Ähnlich wie das erste Album war es auch in einer Jamsession entstanden, in der das Trio ihre liebsten HipHop-Songs zerlegt hat. BBNG II schlossen sich ein intensives Tourenjahr und dann BBNG III an, das dritte Studioalbum von BadBadNotGood. Anders als die LPs davor, hat das Trio auch eigene Kompositionen eingebracht.

Yes, because it’s one thing to cover someone’s work, it’s totally different to try and create something original and really invest yourself in it. […] But I think we do still want to adapt some covers and keep doing that, mostly because it’s fun to play with material that is not your own. You might even create a whole new idea that is original, just by using whatever arrangement and melody that someone else wrote.

BBNG Interview mit Los Bangeles

Dementsprechend bleiben Cover ein fester Bestandteil von BBNG. Mit dem nächsten Album wagte sich die Band jedoch noch weiter in unbekanntes Territorium vor. Ihr erstes Featurealbum entsteht zusammen mit Ghostface Killah. Im Entstehungsprozess von Sour Soul erlebten BBNG das erste Mal einen langsamen Aufnahmeprozess und analoge Aufnahmetechniken. Beides hat die Band sehr geprägt.

[…] like, starting Sour Soul was a huge turning point for us because we ended up going to the studio that Dukes was working at in New York. It’s all analog and it was completely different from anything we had done before. And then after that it kind of inspired us to open our own studio, with Dukes as a matter of fact, and we started looking for equipment like old sythns and keyboards, and I think doing all that stuff changed our approach to music and now we pretty much record everything we do to tape, just for the sound of it and the sound of everything together – like the old instruments and the microphones and stuff, but also for the approach because you cant really do too much once you’ve recorded it. You can’t really edit a lot of notes, your performance has to be down, and we really value about making music that way. It sounds like a live show and you’re nervous about laying down the notes that are going to be on the record, but there’s no opportunity to go back and fix it so it’s pretty raw.

BBNG Interview mit High Snobiety

Das alles bringt uns zum neusten Album IV, das am 8. Juli herauskam. Es ist ein Album mit unglaublich vielen Features und vereinzelten eigenen Kompositionen von BBNG, die wiederum mehr in Richtung Jazz gehen als der Rest des Albums. Dennoch schaffen es die inzwischen vier Musiker der Band, die vielen Künstler und auch Stile unter einen Hut zu bringen. Ich würde deshalb an dieser Stelle gerne den Vergleich zwischen BadBadNotGood und Eiern wagen, für Veganer Bananen als eine Alternative, da ich große Parallelen sehe.
Eier und Bananen sind – für sich alleine gestellt – lecker und man kann viel mit beiden Zutaten anstellen – Braten und Kochen hauptsächlich. Doch ist uns allen das Frühstück nur zu gut bekannt. Obwohl es lecker ist, denkt man, da könnte noch Potenzial in dieser Zutat stecken. Ähnlich verhält es sich mit den Tracks, die das Quartett selbst dazusteuert. Sie sind interessant und gut, jedoch leben BBNG davon, mit anderen Stilen und Musikern zu liebäugeln. Sie schaffen es so, viel Unterschiedliches zu bündeln, bzw. zu binden. Eier und Bananen können meiner Meinung nach auch nur ihr volles Potenzial erreichen, wenn sei Teil von etwas Größerem werden. Quiche und Schokoladenkuchen (mit Bananen)  wären zwei solcher Beispiele. In der Quiche hält das Ei alles zusammen. Obwohl es leicht in den Hintergrund tritt, ist es die Basis alles Guten in der Speise und hilft die Zutaten zusammenzuführen. Genauso schaffen BadBadNotGood durch ihre Instrumentals eine Basis, in der sich die Features entfalten können.

Bestes Beispiel hierfür sind die Tracks “Time Moves Slow”, “Hyssop of Love” und “In Your Eyes”. BBNG schaffen drei wunderbare Instrumentals, über die Samuel T. Herring, Mick Jankis und Charlotte Day Wilson singen beziehungsweise rappen. “Time Moves Slow” und “In Your Eyes” bringen den Soul in die Herzen. Das verträumt traurige Instrumental passt zur weichen und leicht melancholischen Stimme von Samuel T. Herring, der auf “Time Moves Slow” einer verlorenen Beziehung nachtrauert.

Running away is easy
It’s the leaving that’s hard
Running away is easy
Running away is easy
It’s the living that’s hard
And loving you was easy
It was you leaving that scarred

BBNG: Time Moves Slow – Samuel T. Herring

Mit Charlotte Day Wilson schaffen es BBNG, den Hörer in eine andere Zeit zu entführen. Der Song macht den Anschein, ein Jahrzehnte verschollenes Soul-Juwel zu sein. Ebenso liefert das Quartett ein überzeugendes Jazz/HipHop-Instrumental für Hyssop of Love, das sehr an die Anfänge des HipHop erinnert, als noch Soul und Disco-Samples zu Tracks verarbeitet wurden. Der große Unterschied ist jedoch, dass es sich nicht um ein Sample, sondern um einen speziell auf Mick Jankins zugeschnittenes Instrumental handelt.

Mehr in den Vordergrund rücken BadBadNotGood auf den Tracks “Lavender” und “Confessions Pt II”. “Lavender” ist in Zusammenarbeit mit Kaytranada entstanden. Nachdem das Quartett seine musikalischen Muskeln bereits für Kaytranada geflext hat und dabei “WEIGHT OFF” auf dessen Album 99.9% entstanden ist, hat er den Gefallen erwidert. BBNG haben hier ihre neu erworbenen Synthesizer angeschlossen und zusammen mit Kaytranada einen sehr elektronisch anmutenden Song gezaubert. Dieser erscheint durch seine schnarrenden, tiefen und langsamen Synthesizerlines dunkel und mysteriös. Bis auf einen kurzen Gitarreneinschub, der die Stimmung kurz hebt, bleibt es aber bei einer recht monotonen Melodie, die sich durch den kompletten Song zieht. “Confessions Pt II” hingegen geht in eine ganz andere Richtung, da er von zwei Saxofonen dominiert wird. Gespielt werden diese von Colin Stetson und Leland Whitty, der seit Anfang 2016 offiziell BBNG beigetreten ist. Die beiden Musiker, die miteinander spielen und auch die Rollen tauschen, verleihen dem Stück eine besondere Dynamik. Insgesamt kann der Song zweigeteilt werden, da sich die beiden Musiker Raum für Soli lassen. In der ersten Hälfte übernimmt Colin Stetson die Rathausfraktion des Duos, wohingegen Leland Whitty soliert. In der zweiten Hälfte von “Confessions Pt II” nimmt sich Whitty zurück und überlässt Stetson das Feld. Dieser Greift tief in seine Repertoirekiste und zaubert ein emotional aufwühlendes Solo, das sehr an sein Album Never Were the Way She Was erinnert.

Kommen wir schließlich noch zu den ganz eigenen Stücken von BadBadNotGood. Das Album besteht aus insgesamt 11 Tracks, von denen sechs in kompletter Eigenarbeit entstanden sind. Innerhalb dieser versucht sich das Quartett an verschiedenen Stilen. “And That, Too.”, der erste Song von IV, schafft es, den Hörer etwas auf das Album vorzubereiten, das in sich einen Wandel durchgeht und von elektronisch klingenden Synthesizern zu einem virtuosen Saxophonsolo übergeht und so zeigt, dass es Neues auf dem Album zu entdecken gibt. Einerseits den neuen Sound, durch die Erfahrungen mit Sour Soul, andererseits bekommt Leland Whitty eine Chance, sich vorzustellen. Generell trifft der Song And That, Too. auch den Gesamtton des Albums, einen ruhigen und leicht melancholischen, der vom einen oder anderen Aufschrei unterbrochen wird. Einer dieser Aufschreie ist der Song “IV”, welcher ein reines Jazzstück ist und von seiner Energie lebt. “Structure No. 3” geht genretechnisch einen ähnlichen Weg wie “IV”, ist aber um einiges ruhiger und bedient sich einiger Elemente aus Fusion und Soul. Speaking Gently, der zweite Track auf dem Album, ist ein typischer BBNG Track und weckt alte Gefühle, da das Quartett wieder beweist, dass es seinen Wurzeln trotz der vielen Neuerungen treu bleiben kann. Bleibt noch der letzte Track des Albums. Cashmere ist wollweicher Jazz, in den ein paar Maschen Latin eingestrickt wurden. BadBadNotGood gehen weder pompös noch abrupt. Cashmere endet auf einem langsam ausklingenden Klavierakkord und gibt dem gesamten Album einen würdigen Abschluss.

Insgesamt ist BadBadNotGood mit IV ein weiteres sehr rundes Album geglückt. Es beeindruckt insofern, als es so viele Künstler, Stile und Ideen in einem in sich geschlossenem Werk verbindet. Jedoch geht BBNG etwas von ihrem alten Charme verloren. BBNG I & II sind in Jamsessions entstanden, die es am Ende in das Albumformat geschafft haben. Mit der Post-Sour-Soul-Phase hat sich das jedoch geändert. Das Quartett nimmt sich inzwischen mehr Zeit im eigenen Studio und hat ihr Konzept des Jamsession-Albums verworfen. Ob das nun eine positive oder negative Entwicklung ist, kann nur die Zeit sagen.